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Der Infekt

Der Infekt

Titel: Der Infekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe A. O. Heinlein
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wollte Jeanne wissen. »Leidet die internationale wissenschaftliche Reputation, wenn man von der Universität in ein kommerzielles Labor wechselt?«
    Blunstone lachte. »Ach, Reputation, was heißt das schon? Sicher kann man das so sehen. Aber dafür wird man ja auch besser bezahlt. Außerdem hängt das auch davon ab, woran man arbeitet. So generell würde ich mir da kein Urteil erlauben wollen.« Er sah sie neugierig an. »Weshalb interessiert Sie das?«
    »Nun«, antwortete Jeanne bedächtig, »das ist sicher ein wichtiger Punkt für meine Leser. Außerdem interessiere ich mich persönlich dafür. Ein alter Bekannter von mir hat als Nachwuchswissenschaftler für seine Forschungsergebnisse einige Preise erhalten. Als er das Imperial College verlassen hat, haben wir über diese Frage leidenschaftlich diskutiert. Er meinte, die Reputation würde nicht leiden. Aber dann ist er offensichtlich eines Besseren belehrt worden.«
    »Inwiefern?« fragte Blunstone. »Wohin ist er denn gegangen?«
    Jeanne sah ihn von der Seite her an. »Sie werden es nicht glauben: Er ist hierhergekommen, zu Interclone.«
    »Ach!« machte Blunstone. »Tatsächlich? So ein Zufall! Wie heißt er denn?« fragte er mit gespieltem Interesse.
    »Kossoff, Charles Kossoff!«
    »Oh, Dr. Kossoff? Den kannten Sie?« Er schien kurz nachzudenken. »Und wieso meinen Sie, daß er eines Besseren belehrt worden sei?« fragte er dann.
    »Nun, weil er nach nur wenigen Monaten in die USA gegangen ist, an die Yale University. Ich entnehme daraus, daß er mit seiner Arbeit hier nicht zufrieden war. Und wie ich Charles kenne, kann das nur mit der Gefährdung seines wissenschaftlichen Renommees zu tun gehabt haben.«
    Jetzt mußte Blunstone wohl damit herausrücken, warum Kossoff Interclone wieder verlassen hatte.
    Der Firmenchef überlegte einen Augenblick. »Ja, so gut kannte ich Dr. Kossoff nicht, um seine Beweggründe einzuschätzen. Aber wegen des Renommees hat er uns bestimmt nicht verlassen. Er hat hier nämlich seine Arbeiten genauso fortführen können wie im Imperial College. Aber aus einem mir nicht bekannten Grund hat er sich nicht wohl gefühlt bei uns. Das kann schon mal passieren.«
    Inzwischen hatten sie auf ihrem Rundgang die Metalltür erreicht, die den Labortrakt vom restlichen Gebäude abtrennte. Der Interclone- Chef führte seine Erkennungskarte in den Schlitz des elektronischen Lesegeräts ein, und mit leisem Summen begann die automatische Schiebetür zur Seite zu fahren.
    »Bitte, treten Sie ein«, sagte Blunstone. »Ich kann Ihnen allerdings aus Sicherheitsgründen nicht erlauben, in die Labors hineinzugehen. Sie können also höchstens einen Blick durch die Glasscheiben der Türen werfen.«
    »Sicher, das verstehe ich«, gab sich Jeanne verständig. »Aber ich möchte doch noch einmal nachhaken. Der Wachmann am Tor deutete an, daß die Sicherheitsanlagen um Ihre Firma herum deshalb angelegt seien, weil hier auch Geheimaufträge fürs Militär ausgeführt würden. Kann denn dann ein Wissenschaftler, der hier arbeitet, seine Ergebnisse, wie von der Universität gewohnt, frei veröffentlichen?«
    Blunstone blickte sie starr an. »Was hat Ihnen der Wachmann erzählt?«
    »Daß Sie auch militärische Aufträge ausführen«, wiederholte Jeanne.
    Der Institutsleiter hatte seine Fassung inzwischen wiedergewonnen und lächelte gezwungen. »Warum stellt man Wachen ein, die alles erzählen? Das ist ja eine unglaubliche Undiszipliniertheit«, dachte er laut. »Nun, um Ihre Frage zu beantworten, muß man natürlich unterscheiden, ob jemand im sicherheitsrelevanten Teil der Firma arbeitet oder nicht. Davon hängt natürlich ab, ob er die Ergebnisse in den einschlägigen Fachzeitschriften veröffentlichen darf oder nicht. Aber die meisten …«
    Blunstone redete weiter, aber Jeanne Lumadue hörte nicht mehr zu. Sie bemühte sich mit jeder Faser ihres Körpers, die Fassung zu bewahren. Fünf Meter vor ihr hatte sich eine Tür geöffnet, und ein hochgewachsener Mann war herausgetreten. Er überquerte den Flur auf eine der Labortüren zu. Dabei nickte er Blunstone und Jeanne grüßend zu, wobei sein Blick einen Moment lang erstaunt an ihr hängenblieb.
    Stan! Stan Lundquist! Was machte denn der Lange hier, um Himmels willen? Vor wenigen Wochen hatte sie ihn doch noch zusammen mit Idwood auf Korfu besucht! Das war ja vielleicht ein Ding! Instinktiv ahnte sie das Richtige. Wenn Stan sie nicht begrüßte, dann war er hier auch unter irgendeinem Deckmantel tätig

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