Der Infekt
Sie habe. Wäre es Ihnen um 10.30 Uhr recht?«
»Ja, natürlich, Dr. Blunstone. Vielen Dank für Ihr Entgegenkommen! Bis morgen also.«
Na bitte, dachte Jeanne, schon sind wir in dem Laden drin! Und vielleicht gelang es ihr ja, durch geschickte Fragen den einen oder anderen der Interclone- Leute aus der Reserve zu locken. Aber das mußte sich herausstellen. Jeanne vertraute dabei auf ihr journalistisches Improvisationstalent.
Sie machte es sich auf dem Bett des Hotelzimmers gemütlich und bestellte beim Zimmerservice eine Flasche Sekt. Nach dem ersten Glas nahm sie eine heiße Dusche. Durch die wohlige Wärme und die Wirkung des Alkohols war sie zwanzig Minuten später eingeschlafen.
Als engagierte Schläferin bereitete es ihr keinerlei Schwierigkeiten, die vierzehn Stunden bis zum Frühstück ohne störendes Wachwerden zu überbrücken. Deshalb fühlte sie sich auch äußerst energiegeladen, als sie um 10 Uhr das Taxi bestellte und den Fahrer anwies, sie in das bescheidene Industriegebiet am Westrand der Stadt zu bringen.
Die Fahrt dauerte kaum länger als eine Viertelstunde. Jeanne stieg vor dem Haupttor der Biofirma aus und verschaffte sich einen ersten Überblick. Das gesamte Gelände machte einen auffällig gesicherten Eindruck. Allein der Doppelzaun, der das Institutsareal umgab, wirkte recht militärisch. Die Oberkanten der Zäune waren zusätzlich mit Stacheldrahtrollen versehen, und zwischen den beiden Zäunen wurden offenbar Hunde gehalten, denn Jeanne sah einige Futternäpfe herumstehen.
Langsam näherte sie sich dem kleinen Wachgebäude, neben dem das Eingangstor lag. Als sie noch etwa zehn Meter davon entfernt war, hörte sie schon lautes Gebell. Von der linken Seite des Eingangstores stürmte ein großer Schäferhund heran. Glücklicherweise kam er aus dem Drahtgehege des Doppelzauns nicht heraus. Mit wütendem Kläffen und hochgezogenen Lefzen begleitete er Jeannes Weg und zog sich erst zurück, als der Wachmann aus dem Haus trat und ihm einen kurzen Befehl zurief.
Gott sei Dank, dachte Jeanne, dem Biest möchte ich alleine nicht begegnen.
»Guten Tag, mein Name ist Lumadue. Dr. Blunstone erwartet mich um 10.30 Uhr.«
»Ja, Dr. Blunstone hat mich bereits informieren lassen. Einen Moment, bitte.« Er kehrte in das Haus zurück und kam mit einer Erkennungskarte aus Plastik wieder. »Ich muß Sie bitten, diese ID-Card anzustecken und während Ihres Aufenthalts ständig zu tragen, Ms. Lumadue.«
Jeanne nahm ihm das Ding aus der Hand und befestigte es am Revers ihres Tweedsakkos. »Wieso werden denn hier solche weitreichenden Sicherheitsmaßnahmen ergriffen?« fragte sie beiläufig.
Der Wachhabende lächelte überlegen. »Hier werden ja auch Geheimaufträge fürs Militär und so erledigt. Da muß man schon ein bißchen aufpassen, wegen der Spione, Sie verstehen?« Er blinzelte ihr vertraulich zu.
Mein lieber Mann, dachte Jeanne, das war ja ein helles Köpfchen! Wahrscheinlich lag sein Intelligenzquotient nicht mehr als zehn Punkte über dem von Vollkornbrot.
Sie lächelte ihm liebreizend zu und brachte ein beeindrucktes Gesicht zustande. »Geheimaufträge? Wow! Das klingt ja richtig spannend!« Sie deutete auf das Gelände innerhalb des Zauns. »Aber man sieht ja überhaupt keine Militärfahrzeuge!«
»Das wäre doch viel zu auffällig. Es muß ja nicht gleich jeder sehen, daß wir auch für die Royal Army arbeiten«, erklärte ihr Gesprächspartner in wichtigem Ton.
»Royal Army? Die Briten?« fragte Jeanne ungläubig und fühlte dabei vor Aufregung ihre Haarspitzen vibrieren.
Der Wachmann blinzelte ihr beifallheischend zu. »Ja, toll, was? Damit hätten Sie nicht gerechnet, was?« Offensichtlich gefiel er sich in der Rolle des Wissenden.
Nein, dachte Jeanne, damit habe ich wahrhaftig nicht gerechnet. Und Charles Kossoff hatte hier gearbeitet! Womöglich war er auf die Idee gekommen, Informationen an die Amerikaner oder sonst wen weiterzugeben, und war deshalb ausgeschaltet worden! Langsam wurde es richtig spannend.
Sie blickte den Wachmann dankbar an. »Sie kennen sich ja wirklich gut aus.«
Er nickte. »Ich bin auch schon lange genug hier. Wenn Sie wüßten, was ich Ihnen alles für Sachen erzählen könnte!« Er sah auf die Uhr. »Aber ich habe Sie sowieso schon lange genug aufgehalten. Dr. Blunstone wartet auf Sie. Einen Augenblick, ich werde einen seiner Mitarbeiter anrufen, damit man Sie hier abholt.«
Zwei Minuten später kam ein hochgewachsener blonder Mann den Kiesweg zwischen
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