Der Infekt
sich die Zigarrenkiste bringen, suchte sorgfältig eine der handgedrehten Honduras heraus und steckte sie genüßlich in Brand. Dann lehnte er sich entspannt zurück. Der neue Koch war einfach ein Genie. Er würde ihn sicher länger behalten als den letzten.
Der Diener, der mit dem Abtragen des Gedecks beschäftigt gewesen war, kam zurück und trat respektvoll näher. »Entschuldigung, Exzellenz«, sagte er. »Im Konferenzzimmer wartet ein Gast auf Sie.«
»Wer ist es denn? Ich erinnere mich nicht, jetzt einen Termin gehabt zu haben.«
»Er hat seinen Namen nicht genannt.«
De Carillas zog noch einmal an seiner Zigarre und erhob sich dann würdevoll. Als er in den Konferenzraum trat, zogen sich seine Augenbrauen mißbilligend zusammen. Der Mann, der sich da auf dem Brokatsofa herumlümmelte, war ihm nicht gerade willkommen.
»Was soll das, Señor Roessner?« fragte der Innenminister ärgerlich, nachdem er sich durch einen Blick über die Schulter davon überzeugt hatte, daß die Tür inzwischen wieder geschlossen worden war und niemand zuhörte. »Weshalb suchen Sie mich hier auf?«
Emilio Roessner holte Zigaretten aus der Tasche seines Sakkos und zündete sich eine an. Er inhalierte einmal tief und wandte sich dann dem Minister zu.
»Exzellenz«, sagte er dann in einem Ton, der darauf schließen ließ, daß er diese Anrede eher als amüsanten Spitznamen auffaßte denn als Respektsbezeugung. »Exzellenz, wir müssen einige Probleme besprechen. Und das geht in diesem Fall nicht am Telefon. Deshalb bin ich hier.«
Alfonso de Carillas schüttelte den Kopf. »Ich finde es trotzdem nicht korrekt, daß Sie hier auftauchen. Das könnte mich leicht kompromittieren.«
Roessner sah den Minister an wie eine Schlange ihr Opfer. »Ich sagte, daß wir etwas Wichtiges bereden müssen. Und das meine ich auch so! Und wenn Sie schon vom Kompromittieren sprechen, dann muß ich Sie darauf hinweisen, daß es da einige Dinge gibt, die Sie viel mehr belasten würden als meine Gegenwart.«
»Was wollen Sie damit andeuten?« fragte der Minister aufgebracht.
»Ich will nichts andeuten«, erwiderte Roessner kühl, »ich will etwas aussprechen. Die Öffentlichkeit wäre sicher sehr interessiert an der Natur Ihrer Nebeneinnahmen.«
Alfonso de Carillas mußte sich setzen. Nach einigen Augenblicken sah er Emilio Roessner resigniert an. »Was wollen Sie also von mir?«
Der Breedwell- Sicherheitschef nickte befriedigt. »Ich sehe, wir verstehen uns, Exzellenz. Und das soll wie immer nicht Ihr Schaden sein. In diesem Falle würden wir sogar noch eine Sonderzahlung in Betracht ziehen.«
Carillas musterte ihn aufmerksam. »Also ist es etwas Wichtiges?«
Roessner seufzte. Diese Politiker machten es einem mitunter nicht leicht. »Das sagte ich bereits, Exzellenz. Es gibt da ein paar Informationen, die, wie soll ich sagen, nicht an die breite Öffentlichkeit gelangen sollten. Und wir erwarten von Ihnen, daß Sie Ihren Einfluß geltend machen, um den Informationsfluß an den geeigneten Stellen zu unterbinden.«
Der Innenminister runzelte die Stirn. »Nachrichtensperre? Das wird nicht einfach werden. Und vor allen Dingen nicht billig!«
»Geld spielt keine Rolle, Exzellenz, das wissen Sie doch.«
Carillas blickte ihn nachdenklich an. »Um welche Informationen handelt es sich denn?«
Roessner drückte die Zigarette in einem schweren Kristallascher aus. »Nun, wie Sie wissen, grassiert zur Zeit eine Grippewelle in unserem Land. Nun gibt es gewisse Kreise, die den Ursprung dieser Krankheit mitten im Breedwell- Gebiet vermuten. Ich brauche Ihnen sicher nicht zu erzählen, welchen Eindruck eine solche Behauptung auf unsere Kunden machen könnte. Die Effizienz unserer hygienischen Kontrollen würde in Zweifel gezogen werden und so weiter. Ich halte es deshalb für hilfreich, daß Meldungen, die einen solchen Zusammenhang konstruieren oder nahelegen, nicht in der Presse erscheinen. Verstehen wir uns?«
Der Minister mußte erst einmal tief durchatmen. Ihn beschlich eine dumpfe Ahnung. »Sagen Sie mal, Señor Roessner, hat das Unglück auf dem Flughafen, dem der Leiter des Gesundheitsamtes zum Opfer fiel, irgend etwas damit zu tun?«
Roessner zuckte die Achseln. »Manchmal ist es besser, wenn man nicht alles weiß, Exzellenz. Machen Sie es wie ich, beglückwünschen Sie sich zu Ihrer Unwissenheit.«
Der Minister hatte verstanden und schluckte schwer. Dieser Roessner war gefährlich wie eine Klapperschlange. Mit ihm würde er sich sicher nicht
Weitere Kostenlose Bücher