Der Infekt
er hinter sich die Tür aufspringen und registrierte mit Schrecken, daß das Deckenlicht aufflammte.
»Hände über den Kopf, Dr. Lundquist!« befahl eine männliche Stimme.
Lundquist fühlte eine unangenehme Gänsehaut auf dem Rücken. Jetzt war das Spiel aus! Langsam streckte er die Arme gegen die Decke.
»Und jetzt vorsichtig umdrehen!«
Der Australier drehte den Sessel herum und sah sich zwei unbekannten Männern gegenüber, die ihm schallgedämpfte Pistolen entgegenhielten.
Er versuchte die Flucht nach vorn. »Was soll das, meine Herren?« fragte er in unwirschem Ton. »Wieso dringen Sie mit Waffengewalt in mein Zimmer ein?«
Der eine der beiden lächelte kühl und zynisch. »Machen Sie sich nicht lächerlich, Dr. Lundquist! Sie wissen genau, weshalb!«
»Nein, das weiß ich nicht! Wie sollte ich?«
Der andere seufzte übertrieben. »Sehen Sie, Dr. Lundquist«, dozierte er genüßlich, »nobody's perfect! Sie haben die Gardinen in Dr. Blunstones Zimmer einfach zum falschen Zeitpunkt aufgehängt, denn vor der 4-Uhr-Kontrolle kriegen die Hundchen im Doppelzaun ihr Fressen. Und dazu muß der Wachhabende draußen an Blunstones Büro vorbei. Pech ist Pech, Dr. Lundquist!«
Der Australier hätte sich vor Wut am liebsten alle Haare einzeln ausgerissen. Was bist du doch für ein monumentaler Trottel, Stan, dachte er.
»Nun, Dr. Lundquist, was haben Sie denn in Dr. Blunstones Büro gesucht, so mitten in der Nacht, he?«
»Nur so eine Neugierde … ich weiß nicht!«
»So, Sie wissen es nicht! Ich vermute eher, Sie haben es nur vergessen. Aber wir werden Ihrem Gedächtnis schon wieder auf die Sprünge helfen. Es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis Sie sich erinnern. Stehen Sie bitte auf! Wir wollen gehen!« Er hielt Lundquist unmißverständlich die Waffe vor das Gesicht. Der Australier erhob sich langsam aus dem Sessel und machte eine einladende Handbewegung zur Tür: »Nach Ihnen, meine Herren!«
Das hätte er lieber nicht sagen sollen. Sein Gegenüber holte aus und knallte ihm mit Wucht die Faust auf den Mund.
Lundquist flog nach hinten auf seinen Schreibtisch und knallte mit dem Kopf auf die Platte. Mit schmerzverzerrtem Gesicht rappelte er sich wieder hoch und versuchte mit dem Handrücken das Blut von den aufgeplatzten Lippen zu wischen. Für einige Augenblicke drehte sich alles um ihn herum, doch dann konnte er die beiden Kerle wieder deutlich sehen. Sie standen neben der Tür und grinsten ihn höhnisch an.
»Nein«, sagte der eine und zeigte auf den Flur hinaus, »nach Ihnen, Dr. Lundquist, nach Ihnen!«
Während Stan mit unsicheren Schritten hinaustrat, griff sich der andere seinen Aktenkoffer. Dann löschte er das Licht in Lundquists Büro und zog die Tür ins Schloß. Dabei deutete er mit der Waffe in Richtung Ausgang. »Bitte, gehen Sie ruhig weiter!«
Der Australier wankte, obwohl er sich schon wieder topfit fühlte. Langsam setzte er einen Fuß vor den anderen. Der Mikrofilm!
Den werde ich behalten, schwor er sich. Leise stöhnend lehnte er sich gegen die Wand. Dann rutschte er langsam nach vorne. Seine Hand stahl sich in die rechte Hosentasche. Zum Glück erwischte er die winzige Metallkapsel sofort und zog die geschlossene Faust wieder aus der Tasche. Langsam setzte er sich auf. Dabei fuhr er sich mit der Hand über die geschwollenen Lippen und schob die Metallkapsel unauffällig in den Mund.
»Los, los, aufstehen! So schlimm war es ja noch gar nicht«, herrschte ihn der mit der harten Handschrift an. Mühsam rappelte der Australier sich hoch und setzte sich in Bewegung. Dabei sammelte er fleißig Speichel im Mund, um die Metallkapsel nicht völlig trocken hinunterwürgen zu müssen. Unangenehm würde es ohnehin werden. Als er die Sicherheitsschleuse erreichte, gab er sich einen Ruck und schluckte kräftig. Er fühlte den Fremdkörper die Gurgel hinuntergleiten.
Das ging einfacher, als er gedacht hatte. Auf jeden Fall war der Film zunächst einmal in Sicherheit. Resistent gegen Magensäure und Verdauungsenzyme war die Metallkapsel ohnehin. Jetzt mußte sich nur noch herausstellen, wer schwerer daran zu verdauen hatte, Blunstone oder er. Im Moment hatte Stan allerdings den Eindruck, daß die Umstände eher gegen ihn sprachen.
Montevideo, Uruguay
S eine Exzellenz Alfonso Ramon de Carillas tupfte sich mit der blütenweißen Stoffserviette den Mund ab und nahm noch einen Schluck vom ausgezeichneten Wein. Nachdem er das Kristallglas abgesetzt hatte, läutete er dem Diener und ließ
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