Der Infekt
ausgeräumt.
Sie ist entweder geflohen oder entführt worden, überlegte Green, und so wie es aussah, tippte er eher auf die zweite Möglichkeit. Wenn er dann noch zwei und zwei zusammenzählte, standen die Chancen, sie unversehrt wiederzufinden, nicht besonders hoch.
Wonach suchte die Gegenseite bloß so hektisch? Und noch wichtiger: Wer war die Gegenseite überhaupt?
Geistesabwesend lenkte er den Mercedes langsam in Richtung Hauptquartier. Du weißt nichts, Idwood, überhaupt nichts! Da überfahren und entführen sie dir die schönsten Frauen, und du weißt nicht, warum! Du mußt dich da voll reinhängen, Idwood, befahl er sich. Und wenn sich Abbott auf den Kopf stellt oder dich feuert!
Während er das Auto in der Tiefgarage abschloß und zum Lift ging, dachte er über die Strategie der nächsten Tage nach.
Erst zu Jeanne, dann zu Stan!
Dieser Bioladen in Limerick schien bei der ganzen Angelegenheit eine besondere Bedeutung zu haben. Also würde er dort beginnen. Und Stan wußte wahrscheinlich schon eine ganze Menge über die Firma.
Er griff zum Telefonhörer.
»Thurso.«
»Robert, hier ist Idwood. Hör zu, ich muß nach Irland, es ist ziemlich dringend. Ich fahre innerhalb der nächsten Stunde los.«
»Aha! Und vorher willst du uns noch mit Arbeit überschütten«, vermutete Thurso.
»Richtig! Ich möchte, daß einer von euch beiden Paradiesvögeln jederzeit am Telefon zu erreichen ist, klar? Und zwar für die nächsten drei bis vier Tage und Nächte.«
»Wie, Nächte? Willst du damit sagen, daß wir auch …«
»Ja, genau das will ich!« unterbrach Green. »Und ihr solltet damit rechnen, daß ich euch womöglich in Irland brauche. Also macht euch zur Vorsicht reisefertig!«
»Ah, endlich ist mal wieder was los! Sollen wir nicht lieber sofort mitkommen?« fragte Thurso hoffnungsvoll.
»Nein! Ich melde mich bei euch, wenn ich euch brauche. Bis dann, Robert!«
Er legte den Hörer auf und marschierte dann entschlossen zu Abbotts Büro hinüber.
»Ich muß Sir Ronald sprechen, Yvonne.«
Die Chefsekretärin stutzte. Idwood war offensichtlich etwas über die Leber gelaufen, sonst hätte er sicher einen seiner infantilen Kalauer losgelassen und nicht ein so ernstes Gesicht gezogen.
»Tut mir leid«, erwiderte sie vorsichtig. »Der Chef ist nicht mehr im Haus. Er hatte einen dringenden Termin.«
»Hm«, brummte Green. »Dann müssen wir es eben anders machen. Sag ihm bitte, wenn er wiederkommt, daß ich einige Tage weg bin. Es hat mit den Vorfällen in New Haven zu tun. Sag ihm, ich halte es für absolut dringend. Man hat Jeanne überfahren und Angela MacRae entführt. Ich melde mich bei ihm, wenn ich mehr weiß!«
Yvonne Hartfield starrte ihn erschrocken an. »Mein Gott! Jeanne ist überfahren worden? Was ist mit ihr? Ist sie …?«
»Nein, sie ist nicht tot, Yvonne. Sie liegt schwer verletzt im Krankenhaus in Dublin. Ich fahre jetzt dorthin.«
»Grüß sie von mir, ja?«
»Mach ich, Yvonne. Aber nur, wenn du nicht mehr so traurig guckst, okay?«
Sie nickte.
Green wollte eben die Tür schließen, als er sie laut rufen hörte.
»Ach, Idwood, hier ist noch mehr Post für dich! Ich hatte irrtümlich einen Teil mit in Abbotts Fach einsortiert.«
Green ging an ihren Schreibtisch zurück und sah die Briefe flüchtig durch. Alles Schrott, dachte er. Nichts Wichtiges.
Doch dann erstarrte er.
Ein brauner gefütterter DIN-A5-Briefumschlag mit dem Absender in der linken unteren Ecke.
Katie Pafka!
Die kleine Fotografin!
Hastig riß er den Umschlag auf. Mit spitzen Fingern griff er hinein und förderte ein kleines blaues Notizbuch zutage. Auf dem Einband klebte eine weiße Karteikarte, die mit einer gestochenen Handschrift beschrieben war.
Dies ist sein Notizbuch, Mr. Green.
Er hat es mir wenige Wochen vor seinem Tod zur Aufbewahrung gegeben. Ich verstehe die meisten Sachen nicht, die er notiert hat, aber das, was ich verstehe, macht mir angst. Vielleicht ist Charles deshalb ermordet worden!
Sie hatten mich gebeten, Ihnen zu vertrauen, Mr. Green. Wie Sie sehen, tue ich das, obwohl ich nicht weiß, warum. Hoffentlich enttäuschen Sie mein Vertrauen nicht.
Bitte rufen Sie mich an, wenn Sie Neuigkeiten haben.
Viel Glück!
Katie Pafka.
Idwood massierte aufgeregt seine Nase. Dann blätterte er in dem blauen Buch herum und überflog die Eintragungen und Zeichnungen, die Kossoff in den letzten Wochen seines Lebens gemacht hatte.
Neben unverständlichen Kürzeln gab es allerlei Skizzen, die Green zu
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