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Der Insulaner

Der Insulaner

Titel: Der Insulaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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verankerten blau und rot. Die Segel waren von brauner Farbe – anscheinend der ungefärbte Naturton des Stoffes. Überall lagen Taue und Stricke herum, die teilweise aus miteinander verflochtenen Gräsern gefertigt worden waren.
    »Seid ihr Shasinn?« Der Sprecher war ein untersetzter muskulöser Mann. Er trug einen grünen Kilt mit goldener Borte. In den Augen der beiden Jungen sah er eigenartig aus, aber das Lächeln, das sie unter den Barthaaren ausmachten, wirkte freundlich und offen.
    »Stimmt«, antwortete Hael. »Hast du schon einmal Shasinn gesehen?«
    »Ja, hier und auch auf anderen Inseln. Aber nur sehr wenige, und meistens waren es alte Männer, die ihre Kaggas im Hafen verkaufen wollten. Ich bin Malk, Kapitän der Wellenfresser.«
    Er klopfte mit der Hand auf das Dollbord, um ihnen zu zeigen, dass er von seinem Boot redete. Sein Dialekt war fremdartig, aber gut zu verstehen; sogar besser als die Aussprache der Jäger, die auf der Insel lebten.
    »Haben alle Boote einen Namen?« erkundigte sich Hael. Er war so neugierig, dass es ihm nicht länger gelang, die standesgemäße Überheblichkeit und Unnahbarkeit der Krieger zu bewahren.
    »Boote?« rief Malk lachend. »Die Wellenfresser ist ein Schiff!«
    Die Shasinn vernahmen dieses Wort zum ersten Mal.
    »Wo ist denn da der Unterschied?« wollte Danats wissen. Geschickt sprang der Mann auf den Pier.
    »Diese Fischer hier benutzen Boote. Sie sind viel kleiner und haben keinen Kiel. Der Kiel ist das Rückgrat eines Schiffes.«
    »Ist denn ein Schiff einem Tier ähnlich?« fragte Hael. »Du sagst, es hat ein Rückgrat. Und ich sehe Rippen und sogar Augen.«
    »Genau«, meinte Malk belustigt. »Die Segel sind seine Flügel und die Ruder die Beine. Greif es an, und es wird dir auch Krallen und Zähne zeigen.«
    »Ich begreife nicht«, warf Danats ein, »wie Männer auf einem Tier aus Holz auf dem Wasser leben können. Wir Shasinn mögen kein Gewässer, durch das wir nicht hindurchwaten können.«
    »Euer Volk muss dereinst zur See gefahren sein«, beharrte Malk. »Auf sämtlichen Inseln des Sturmlandes gibt es Shasinn.«
    Nachdenklich stützte sich Hael auf seinen Speer. »Die alten Legenden behaupten, dass alle Inseln früher gemeinsam ein großes Land bildeten. Dann sollen im Laufe der Zeit ganze Landstriche versunken sein, die Flut breitete sich aus und nun entsprechen den ehemaligen Hochebenen des Landes unsere Inseln.«
    Malk, der sich nur zum Zeitvertreib mit den beiden Jungen unterhalten hatte, wirkte plötzlich überaus neugierig. »Tatsächlich? Auf anderen Inseln und auf dem Festland habe ich schon ähnliche Geschichten gehört. Ich glaube, dass eine Legende, wenn sie so verbreitet ist, ein Körnchen Wahrheit enthält.« Er blickte zur Sonne empor, die hoch am Himmel stand. »Ich habe keine Lust mehr, diesen Burschen noch länger beim Entladen zuzusehen. Das kann ich auch von der miesen Spelunke da drüben aus tun. Kommt mit, dann plaudern wir noch eine Weile gemütlich.«
    »Wir dürfen dort keinen Ghul trinken«, murmelte Danats verlegen.
    »Eure Ältesten habe ich hier aber schon beobachtet, wie sie das Zeug ebenso gut wie jeder Seemann in sich hineinschütten.« Malk zwinkerte den beiden Jungen zu. »Kein Geld, was? Ich hatte vergessen, dass ihr Krieger keines besitzt. Was haltet ihr von meinem Vorschlag: Ich lade euch ein, und ihr stillt meine Neugier, die eure Legenden und Bräuche betrifft? Bei meinem Volk gilt es als unhöflich, eine solche Einladung abzulehnen. Und von den Shasinn erzählt man sich, dass sie stolz auf ihre guten Manieren sind.«
    »Das stimmt«, meinte Hael, dem der Vorschlag gefiel. »Wir sind höfliche Leute, und es ist ganz besonders wichtig, Besucher nicht vor den Kopf zu stoßen. Danats, wir werden unserem Stamm keine Ehre machen, wenn wir die freundliche Einladung dieses Fremden zurückweisen.«
    Danats tat so, als müsse er eingehend darüber nachdenken, starrte zu Boden und drehte den Speer zwischen den Handflächen hin und her. »Ich bin ein gehorsamer junger Krieger unseres Stammes und befolge seine Gebote. Unter anderen Umständen wäre es ein großes Unrecht, Ghul zu trinken – ganz besonders in einem fremden Dorf. Aber in diesem Fall muss ich dir zustimmen. Es ist bedeutend wichtiger, den guten Ruf unseres Volkes zu retten, als sich um irgendwelche kleinen Verfehlungen zu sorgen, die wir dadurch begehen.«
    Malk sah fragend von einem zum anderen. »Führt ihr jedes Mal, wenn ihr eine der Regeln brecht, so ein

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