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Der Insulaner

Der Insulaner

Titel: Der Insulaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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viel Herumfuchteln mit dem Messer, als sei er bereits dabei, dem Feind die Haut vom Leibe zu ziehen, zu überdecken versuchte.
    Hael wusste jetzt, wie der Gegner vorging und bereitete sich darauf vor, zum Angriff überzugehen. Er kannte sich mit Messerkämpfen nicht aus, wusste aber alles über das Ringen, den beliebtesten Zeitvertreib der Shasinnmänner. Zwar besaß er keine Waffe, konnte aber beide Hände benutzen, und das war bei seiner Geschicklichkeit nicht zu unterschätzen. Er fand, dass es Zeit für einen Gegenangriff war. Sobald er sich bewegte, musste er die Richtung, in die sich das Messer drehen würde, voraussehen können. Hael wollte nichts überstürzen und wartete geduldig darauf, dass Agah die Beherrschung verlor.
    Mit einem Fluch sprang der Mann vor. Die Klinge fuhr von unten nach oben. Die gebogene, sichelförmige Waffe sollte den Körper des Jungen von den Lenden bis zum Brustbein aufschlitzen, damit sich Innereien und Blut auf den Boden ergossen.
    Anstatt zurückzuweichen oder seitwärts zu springen, trat Hael mit ausgestreckten, gekreuzten Unterarmen vor, um die Messerhand des Gegners abzuwehren. Er spürte, wie die Dolchspitze die Haut unterhalb des Bauchnabels ritzte, als er mit der Stirn kraftvoll auf Agahs Nase einhieb. Der Feind taumelte rückwärts; Blut strömte aus beiden Nasenlöchern. Hael folgte ihm, drehte die Handflächen nach innen und packte das Handgelenk des Gegners. Dann blieb er plötzlich stehen und zog mit aller Kraft zurück. Agah brüllte auf, als ihm die Schulter ausgekugelt wurde. Hael wirbelte herum, warf den Mann über die Hüfte und kopfüber ins Lagerfeuer.
    Ein Funkenhagel stieg empor. Der Gestank nach verbrannten Haaren erfüllte die Luft, und die Zuschauer wichen zurück, um nicht von den herumfliegenden Kohlestücken getroffen zu werden. Hael trat vor, vergrub die Finger im Haar des Feindes und zog ihn aus dem Feuer. Agah war vor Schmerz und Schock kaum noch bei Bewusstsein, und seine Arme baumelten leblos herab.
    Hael zog den Körper noch ein Stück höher, wobei er die umstehenden Kereels nicht aus den Augen ließ. Er holte aus und die rechte Handkante traf mit unvorstellbarer Wucht auf Agahs Nackenwirbel. Dann lockerte er den Griff von den fettigen Haaren und ließ den Leblosen neben dem Feuer zu Boden fallen.
    »Es war nicht meine Schuld, dass es so weit gekommen ist«, sagte er, an die Kereels gewandt. Sein Blick blieb an Karvas haften. »Ist es vorüber, oder müssen wir noch weiter kämpfen?«
    Atemlose Stille trat ein, bis Karvas schließlich vortrat. »Agah war unser Anführer, aber nicht unser Bruder. Er hat keine Verwandten unter uns, die nach Rache dürsten. Jetzt bin ich der Anführer und ich sage: Es ist genug!«
    Er sah seine Gefährten an, die – zögernd und widerwillig – einer nach dem anderen zustimmend nickten.
    Shong näherte sich und versetzte dem Leichnam einen leichten Tritt. »Schafft dieses Aas aus dem Lager, ehe es Raubzeug anzieht. Vollzieht eure Rituale, damit der Geist Ruhe findet, seid aber bereit, morgen früh zur üblichen Zeit aufzubrechen. Du …« – er wies auf einen Jungen, der sich um die Geschirre zu kümmern hatte – »… holst den Dolch des Toten. Er gehört jetzt Hael.«
    Hael hängte sich das Schwert um und nahm den Speer auf. Der Knabe reichte ihm die Waffe, die er am Gürtel seines Lendenschurzes befestigte.
    »Du besitzt allmählich ein ganzes Waffenarsenal«, bemerkte Shong, als sie zum Lagerfeuer der Händler zurückgingen.
    »Den Besitzer des Schwertes habe ich auch getötet. Das war ein bedeutend ehrenhafterer Kampf.«
    »Man kann sich nicht immer um der Ehre willen schlagen. Manchmal muss man harte Maßnahmen ergreifen, um sich Achtung zu verschaffen oder sein Leben zu verteidigen. Es ist besser zu sterben, als dergleichen Abschaum die Oberhand gewinnen zu lassen. Du hast das Richtige getan, und nun wird man dich mit gebührendem Respekt behandeln.«
    »Ich weiß immer noch nicht, weshalb er mich so verachtet hat. Glaubst du, er wurde bezahlt, um mich zum Kampf zu fordern?«
    »Daran habe ich auch schon gedacht. Er war ein großmäuliger Wichtigtuer und bestimmt ein mehrfacher Mörder, aber er hätte sich nicht auf einen Streit eingelassen, der ihm keinen Gewinn versprochen hätte. Vielleicht wollte er auch nur dein Schwert und deinen Speer. Hätte er gewonnen, wären sie sein gewesen.«
    Das bezweifelte Hael. Agah war habgierig gewesen, hätte sein Leben aber nicht für ein paar Waffen aufs Spiel

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