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Der Ire

Der Ire

Titel: Der Ire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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verschwimmen, so daß man glauben konnte, sich in einer
Traumwelt zu bewegen.
      Der Ford bog auf einen Weg ab, der
von einigen Fichten eingesäumt wurde. Dahinter stand ein einsames
Farmhaus an der Mündung des Bachs.
      Das Haus lag unter Buchen am Rand des
Wassers: ein altes Gebäude aus grauen Steinen mit einer
großen Scheune und einer Mauer um den Hof. Erst als sie
näher herankamen, sah Rogan, wie verwahrlost alles war.
      Zwischen den Pflastersteinen, auf
denen der Ford zum Stehen kam, wuchs Gras. Hannah Costello stellte den
Motor ab und verzog das Gesicht.
      »Nicht gerade ein Palast, was?
Im Lauf der Zeit hat das Meer die Weideflächen erodiert. Man
müßte schon Jäger und Fischer sein, um hier leben zu
können. Die Hausverwalter haben es uns gern für ein Jahr
vermietet.«
      Rogan runzelte die Stirn. »Für so lange?«
      »Eine kürzere Mietdauer
wäre verdächtig gewesen.« Sie zögerte, bevor sie
Rogan fragte: »Wann hast du Colum O'More zuletzt gesehen?«
      »Vor zehn Jahren.«
      »Er hat sich sehr
verändert. Nimm dich in acht, damit du dir nichts anmerken
läßt. Das würde ihn kränken, glaube ich.«
      Bevor Rogan antworten konnte, wurde
die Tür hinter ihm geöffnet. Er drehte sich rasch um. Dort
stand ein Mann in gebückter Haltung, der sich schwer auf einen
Stock stützte und wie ein alter Vogel den Kopf vorstreckte.
      »Sean«, sagte er mit heiserer Stimme. »Sean Rogan, bei allem, was heilig ist!«
      Der Schock war groß, aber Rogan
beherrschte sich und ging mit ausgestreckter Hand auf O'More zu.
»Colum, du alter Teufel. Wie lange haben wir uns schon nicht mehr
gesehen!«
      Colum O'Mores Händedruck
erinnerte einen Augenblick an frühere Zeiten, aber diese Illusion
der Stärke hielt nicht lange an. Der Alte lachte humorlos.
»Die Zeit ändert alles, nicht wahr, Sean? Mir hat sie einen
Fußtritt verpaßt. Ich bin froh, daß sie dich etwas
besser behandelt hat.«
      Er drehte sich um und humpelte durch
den weißgestrichenen Flur davon. Rogan folgte ihm langsam. Ihm
fiel auf, wie mager Colum O'More geworden war; der Anzug schlotterte um
seinen Körper. Der Mann hatte sich völlig verändert.
      Das Wohnzimmer war einfach
möbliert. Um den offenen Kamin standen einige Sessel auf einem
Schilfteppich. Colum O'More ließ sich in einen Sessel fallen und
sah zu Hannah hinüber.
      »Im Schrank stehen eine Flasche
und Gläser, Mädchen, und erzähl mir nicht, daß ich
keinen Alkohol trinken darf. Darum mache ich mir keine Sorgen
mehr.«
      Rogan zog seinen Mantel aus und setzte sich ebenfalls. »Was ist passiert, Colum?«
      Der Alte zuckte mit den Schultern.
»Ich büße jetzt für die Sünden der
Vergangenheit. Aber spielt das eine Rolle?« Er schüttelte
den Kopf. »Selbst nach sieben Jahren in einem englischen
Gefängnis siehst du noch glänzend aus.«
      Hannah brachte zwei Gläser
Whisky. Der Alte legte ihr einen Arm um die Taille. »Sie hat nur
Glück, daß ich nicht dreißig Jahre jünger bin,
Sean. Das Mädchen ist hundertprozentig in Ordnung.« Er
lächelte zu Hannah auf. »Machst du ihm sein
Frühstück, während wir miteinander reden?«
      Sie warf Rogan noch einen
vielsagenden Blick zu, bevor sie den Raum verließ. O'More trank
einen Schluck Whisky, seufzte zufrieden und begann sich seine Pfeife zu
stopfen. »Du bist eben in den Nachrichten erwähnt worden.
Inzwischen hat die Polizei bestimmt schon sämtliche Straßen
abgeriegelt, die aus dem Moor herausführen, und du bist hier
dreihundertfünfzig Meilen weit entfernt, wo dich niemand
vermutet!«
      Rogan trank ihm zu. »Das verdanke ich dem Großen Mann.«
      »Die Organisation sorgt
für ihre Leute«, sagte Colum O'More. »Das hat einige
Zeit gedauert, aber dafür kann ich nichts.«
      Nach einer kurzen Pause fragte Rogan: »Wie komme ich von hier aus am schnellsten nach Kerry, Colum?«
    »Siehst du, darüber wollte ich eben mit dir sprechen, Sean.«
      Rogan spürte wieder etwas unter
der Oberfläche, das er schon nicht verstanden hatte, als Soames
bei ihm im Gefängnis war. Er zündete sich eine Zigarette an.
      »Wir kennen uns lange genug, um
auf Vorreden verzichten zu können, Colum. Sag also, was du zu
sagen hast.«
      Der Alte zuckte mit den Schultern. »Das ist rasch erzählt. Wir haben einen Job für dich.«
      »Wir?«
      »Die Organisation.«
      »Ich dachte, sie sei aufgelöst worden, als der Krieg an der Grenze eingestellt wurde.«
      Colum O'More lachte.

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