Der italienische Geliebte (German Edition)
»Und Noel und Olwen sind ins Pub gegangen, um sich zu betrinken.«
»Ah, gute Idee. Ich trinke vielleicht auch einen. Wie ist es mit dir, leistest du mir Gesellschaft?«
»Gern.«
Connor ging hinaus und kehrte nach wenigen Minuten mit einer Flasche zurück, in der noch ein Rest Whisky war. Nachdem er ihnen eingeschenkt hatte, stellte er sich mit seinem Glas an die Tür und schaute zum Tal und zur untergehenden Sonne hinaus.
»Man kann es sich nicht vorstellen, nicht wahr?«, sagte er.
Rebecca erinnerte sich an Fotografien der zerstörten Stadt Guernica. »Was wirst du tun, Connor?«, fragte sie.
Er kam in die Küche zurück und setzte sich an den Tisch. »Ich werde nach Irland zurückgehen. Mein Schiff fährt in zwei Tagen.«
»So bald schon?«
»Irland wird sich aus einem Krieg heraushalten. Unsere Nation ist zu jung. Und zu arm. Und ich möchte bei meinem Sohn sein.«
»Du hast einen Sohn?«
»Ja. Er heißt Brendan. Er ist zehn Jahre alt und lebt bei seiner Mutter in Galway.«
Außerordentliche Ereignisse hatten die Barrieren durchbrochen, die sie beide um sich herum errichtet hatten – der drohende Krieg, die Abwesenheit der anderen Hofbewohner. »Das wusste ich nicht«, sagte sie.
»Na ja, wer prahlt schon gern damit, dass er seine Frau und sein Kind verlassen hat.«
»Das tut mir leid. Es muss schwer für dich sein.«
»Und du, Rebecca? Hast du Kinder?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Fehlen sie dir?«
»Mein Mann wollte keine Kinder.« Nein, das war ein Ausweichen. Sie versuchte es noch einmal. »Ich dachte, ich wollte keine Kinder. Aber heute bedaure ich es manchmal, keine zu haben. Erzähl mir von deinem Sohn Brendan, Connor.«
Er lächelte. Es war ein schönes Lächeln, das sich langsam entfaltete.
»Ich habe ein Foto.« Er klappte eine abgewetzte lederne Brieftasche auf und reichte ihr das Bild.
Es zeigte einen kleinen Jungen mit widerspenstig lockigem Haar an der Hand einer Frau, die neben ihm stand.
»Er sieht aus wie du«, sagte sie.
»Findest du? Aber Aoife ist auch dunkel.«
»Ist das der Name deiner Frau? Sie ist hübsch.« Sie reichte ihm das Foto zurück.
»Ja, das ist sie.« Er schob die Brieftasche wieder ein und trank einen Schluck Whisky. »Ich hätte gar nicht heiraten sollen. Keine Frau will einen Mann, der den ganzen Tag nur Steine klopft. Und nichts anderes im Kopf hat. Dem es egal ist, wo er lebt, was er verdient und was er besitzt, wenn er nur seine Steine hat. Ich war mir immer selbst genug, wenn ich nur arbeiten konnte. Aber Aoife war es nicht genug. Sie fand, ich solle mir eine richtige Stelle suchen. Die Bildhauerei war für sie keine richtige Arbeit. Eine Zeit lang habe ich versucht, mich nach ihr zu richten, aber ich merkte, dass aus mir langsam jemand wurde, der ich nicht sein wollte. Da bin ich eben gegangen. Die beiden sind ohne mich besser dran. Aber ich bin nicht geschieden, und es wird auch nie eine Scheidung geben. Aoife ist strenggläubig, weißt du. Eine Ehe wird fürs Leben geschlossen.«
»Dein kleiner Junge fehlt dir doch bestimmt.«
»Ja, sehr. Und wenn es Krieg gibt, sollte ich in seiner Nähe sein. Ich werde nicht mehr mit meiner Frau zusammenleben, aber ich sollte wenigstens im Notfall für die beiden da sein. Und du, Rebecca – was hast du vor? Wirst du hierbleiben?«
»Ich hoffe es.« Er hatte so offen wie nie zuvor mit ihr gesprochen, und sie fühlte sich zu gleicher Offenheit verpflichtet. »Mein Mann und ich lassen uns scheiden. Ich hätte es bei einer Trennung lassen können, aber Milo wollte die Scheidung. Vielleicht hat er jemand anderen gefunden. Ich weiß es nicht. Deshalb habe ich ihn verlassen – wegen der vielen anderen.«
»Er muss dumm sein.«
Der Blick, mit dem er sie ansah, verwirrte sie, und sie merkte, wie sie rot wurde. »Ja, das war er in mancher Beziehung«, sagte sie. »Aber er war auch hinreißend. Ich war nie zuvor einem Mann wie ihm begegnet. Er ist von einer ungeheuren Lebenslust.« Sie lächelte ein wenig bitter. »Ich habe ihm nicht genügt. Er hatte Geld und Erfolg und wurde von allen bewundert, und ich glaube, deswegen hatte er das Gefühl, sich alles nehmen zu können, was er haben wollte.«
Connor zog eine Packung Senior Service aus seiner Hemdtasche und hielt sie ihr hin. Sie rauchten und tranken schweigend, dann sagte sie: »Ich habe ihn nicht wegen der anderen Frauen verlassen. Ich habe ihn verlassen, weil ich
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