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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ernten. Ich werde ihn verkaufen.« Sie streichelte den Büffel zwischen den Hörnern und lehnte sich an seinen massigen Körper. »Und zehn Enten nehme ich auch mit und ein Schwein.«
    »Wir haben ein Schwein?« fragte Huang fassungslos.
    »Ja.« Lida lachte, jetzt konnte sie ihr Geheimnis preisgeben. »Ich habe bei den Felsen einen Stall gebaut, und dort habe ich es großgezogen.«
    »Und wo kommt das Ferkel her?«
    »Zhou Chen hat es mir geschenkt. Seine Sau hat neun Ferkel geworfen, und er wußte nicht, wohin damit. Zwei hat er behalten, die anderen hat er verschenkt.« Sie lachte wieder, weil Huang so erstaunt war. »Es ist ein schönes dickes Schwein geworden, und ich werde es teuer verkaufen. Wir werden keine Schulden mehr haben.«
    »Das hast du gewußt?«
    »Ich habe bei dir rechnen gelernt und war die Beste in der Klasse.«
    »Aber wie soll es weitergehen, wenn auch dieses Geld verbraucht ist?«
    »Mutter und ich werden Hemden, Jacken, Decken und Bänder besticken und sie den Aufkäufern geben, die aus Kunming kommen. Wir haben lange Nächte vor uns, die wir nutzen wollen.«
    »Und wann willst du schlafen?« Huangs Stimme war rostig vor Kummer. Scham ergriff ihn, daß er nur ein Lehrer war und nichts konnte als lehren und weise reden. Seine Frau und seine Tochter dagegen nahmen den Kampf gegen ihre Armut auf, und trotz seines Unvermögens ehrten sie ihn und erkannten ihn als ihren Herrn an.
    »Ich habe Zeit genug zu schlafen, wenn das Haus fertig und Jian eingezogen ist. Deshalb muß es fertig sein, wenn er kommt. Wir werden vor der Tür stehen und zu ihm sagen: ›Tritt ein, es ist dein Haus.‹«
    »Und wenn er morgen vor uns steht?«
    »Das kann er nicht, er muß studieren.« Lida schüttelte den Kopf. »Er kann erst kommen, wenn es Winter ist, und er wird in ein schönes, warmes Haus treten und fröhlich sein.«
    Huang nickte und ging mit gesenktem Haupt in sein Haus. Er dachte, daß sie eine wundervolle Tochter sei und daß er eine wundervolle Frau habe, daß er also glücklich sein müßte und nicht von Selbstvorwürfen gepeinigt.
    Lida sah ihm nach, bis er das Haus betreten hatte, dann trieb sie ihren Büffel an und ging den Hügel hinunter zu ihren Feldern. Sie wußte, daß schwere Zeiten kommen würden, aber sie spürte auch die Kraft, die sie empfing, wenn sie die Hände um den Jade-Pavillon legte. Er war immer bei ihr, sie ließ ihn nie allein, und auch jetzt ging er mit auf das Feld, in der Tasche aus Weidenruten, die sie um ihre Schulter gehängt hatte.
    Und jeden Abend sprach sie mit Jian, als stehe er wie damals unter den schlanken Säulen, und sie erzählte vom vergangenen Tag und von ihrer Sehnsucht nach seinen Händen, nach seiner Zärtlichkeit, nach seinen Lippen und nach seinem Leib. Und wenn sie dann die Augen schloß, hörte sie seine geliebte Stimme, und er sagte zu ihr: »Ich bin bei dir, fühlst du es nicht?«
    Sah sie dann zu dem Jade-Pavillon hinüber, war es ihr, als leuchte er von innen, und sie sagte leise: »Danke, danke« und schlief ein.
    An einem warmen Herbstmorgen, an einem Sonnabend, sagte Jian zu seiner Mutter: »Ich fahre jetzt. Ich bin am Montag wieder da. Nur für den Fall, daß Vater Fragen stellt.«
    Es hatte sich nichts verbessert im Verhältnis zwischen ihnen. Tong wiederholte nicht den Wunsch, das Mädchen, das Jian liebte, zu sehen, aber er ging auch nicht zu Yanmeis Vater und nahm sein Versprechen zurück. Seit Monaten sprachen Vater und Sohn nur das Nötigste miteinander; sonst gingen sie sich aus dem Weg, was bei der Größe des Hauses kein Problem war. Im übrigen war Tong, auch wenn er es nicht zeigte, stolz auf seinen Sohn. Er hatte sich bei seinen Professoren erkundigt, und sie hatten Jian gelobt, vor allem der Ordinarius für Pathologie, der ausrief: »Ihr Sohn hat die Begabung, einmal ein großer Chirurg zu werden.« Das machte Tong froh und ärgerlich zugleich, denn er empfand keine Sympathie für die Chirurgie, denn einen Körper aufschneiden, das konnte auch jeder Schlachter. Die Kunst der Medizin war das Erkennen von Krankheiten durch den Geist und das Wissen, und der König der Ärzte, so sah es jedenfalls Tong Shijun, war immer noch der Internist.
    »Wo fährst du hin, Jian?« fragte Meizhu.
    Jian lächelte sie an. »Mutter, du hast mir versprochen, mich so etwas nicht mehr zu fragen.«
    »Es könnte ja etwas geschehen, wovon ich dich benachrichtigen muß. Wo kann ich dich erreichen?«
    »Mutter, versuch es nicht mit diesem alten Trick. Ich werde

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