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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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»Es ist ein Bauer, der öfter Besuch mit einem japanischen Auto bekommt«, fuhr Tong fort.
    »Der Besucher ist ein junger Mann«, sagte Zhou, und Tongs Herz machte einen schmerzhaften Sprung. »Aber er besucht keinen Bauern, werter Genosse. Er besucht Lida, seine Braut.«
    »Seine Braut«, wiederholte Tong wie in Trance. »Seine Braut. Ich möchte ihren Vater sprechen.«
    »Es ist Huang Keli, der Lehrer von Huili.«
    »Der Lehrer.« Tong verspürte ein Schwindelgefühl, aber er faßte sich schnell; nur seine Finger krallten sich in den Thekenrand, bis die Knöchel weiß wurden. »Der Lehrer.« Seine Kehle zog sich wie im Krampf zusammen. Kein Bauer, sondern ein Lehrer – Tong war sich von dieser Minute an bewußt, daß die Aussprache mit dem Vater des Mädchens nicht das Gespräch des großen Tong mit einem armen Schlucker werden würde. »Ich sehe an der Kleidung der Frauen, daß hier Miaos leben.«
    »Wir sind alle Miaos, Genosse. Wir sind ein Miao-Dorf. Vielleicht das westlichste.«
    »Wo finde ich den Lehrer Huang Keli?«
    »Wenn Sie die Straße, die in die Höhe führt, hinauffahren, kommen Sie direkt vor die Schule. Gegenüber ist Huangs Haus.«
    »Ich danke Ihnen.« Tong griff in die Tasche seines Rockes, holte zehn Yuan hervor und legte sie auf die Theke.
    Zhous Gesicht verdunkelte sich. »Wofür?« fragte er. »Ich habe Sie nicht behandelt, mein Herr.«
    Tong begriff, daß er den Stolz des bäuerlichen Kollegen verletzt hatte, und er zeigte auf eine Packung mit Hustenpastillen. »Ich möchte diese Medizin.«
    Zhou reichte ihm das Päckchen und nahm ohne weitere Worte die zehn Yuan an, obwohl die Pastillen nur einen Yuan kosteten. Dann sah er dem feinen Herrn nach, wie er zu dem teuren Wagen zurückging und mit dem Fahrer sprach. Erst als das Auto wendete und zu dem Weg auf den Hügel fuhr, nahm er seinen Mörser wieder zwischen die Knie.
    »Das Mädchen heißt Lida«, sagte Tong im Auto, und wieder überfiel ihn ein leichtes Schwindelgefühl. »Im Dorf nennt man sie Jians Braut. Sie ist eine Miao, und ihr Vater ist der Lehrer von Huili.«
    »Was ändert das?« sagte Fengxia; ihre Stimme war klirrend vor Kälte. »Ein Bauernlehrer. Um so besser, Vater. Man kann ihm die Lehrbefugnis entziehen, dann ist er ärmer als ein Baumwollschläger. Du wirst es mit ihm leichter haben als mit einem starrköpfigen Bauern. Er weiß, was die Erziehungsbeamten mit ihm anstellen können.«
    Wu hob die Schultern, als grause ihm vor seiner eigenen Frau. Er bog in die Hügelstraße ein, schaltete in einen niedrigeren Gang und fuhr zum Schulhaus hinauf. Davor bremste er, und sie sahen, daß der Motorenlärm im Haus gegenüber wie Alarm gewirkt hatte, denn eine Frau stürzte vor die Tür, blieb dann aber stehen und verschwand wieder hinter der Tür.
    »Das war die Mutter«, sagte Wu. »Bestimmt war sie es.«
    »Und als sie das Auto hörte, dachte sie, Jian sei gekommen.« Fengxia stieg aus und blickte sich um. Es war ein sauberes Dorf, aber sie wollte das nicht sehen. Für sie war alles schmutzig, was nicht ihre Duldung fand. Auch Tong stieg aus, und Wu blieb nichts anderes übrig, als es ihm gleichzutun. Sie standen noch am Wagen, als sich die Tür des Hauses wieder öffnete und Huang Keli ins Freie trat. Fast gleichzeitig setzte sich Tong in Bewegung, und so kamen sie sich entgegen, trafen sich in der Mitte des Platzes und blieben voreinander stehen.
    »Ich bin Huang Keli, der Lehrer«, sagte der eine.
    »Ich bin Tong Shijun, Jians Vater«, erwiderte der andere.
    Sie standen sich ein paar Augenblicke wortlos gegenüber, und Tong wunderte sich über Huang, denn kein Zucken flog über sein Gesicht, kein Erstaunen, kein Erschrecken, obwohl er doch ahnen mußte, daß jetzt in sein Leben eingegriffen wurde.
    Huang verbeugte sich leicht und sagte: »Seien Sie in meinem bescheidenen Haus willkommen, Herr Tong.«
    Der große Tong verneigte sich ebenfalls und antwortete: »Es war immer mein Wunsch, Sie kennenzulernen.«
    Aus dem Haus kam jetzt Jinvan, in den Händen die Tonschale mit Reisschnaps, um den Besuch nach altem Miao-Brauch zu begrüßen. Tong nahm einen Schluck, und auch Wu ließ sich die Schale zum Mund führen; nur Fengxia, die finster dreinblickte, zögerte zunächst, aber dann beugte sie sich doch vor und schluckte einen Tropfen des scharfen Getränks.
    »Mein Haus ist Ihr Haus«, sagte Huang und trat zur Seite. Und zu Jinvan sagte er: »Das ist Professor Tong Shijun, Jians Vater.«
    »Ich bin Fengxia, seine Schwester!«

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