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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Arzt, ein weitgerühmter Arzt, aber was ist Ihnen ein Mensch wert? Ist er nur ein Körper für Sie, eine Krankheit, eine Masse Muskeln, Knochen, Sehnen und Adern? Haben Sie nie die Seele in einem Menschen entdeckt? Wie kann man heilen, ohne mitzufühlen? Gibt es für Sie überhaupt ein Gefühl außer dem Stolz, ein Tong zu sein, ein Han-Chinese, für den ein Miao nur eine Käferart ist? Das Recht auf Glück hat ein jeder Mensch, ob er ein Bettler an der Straße oder ein Professor im weißen Chefarztkittel ist. Einmal, nach dem letzten Atemzug, sind Sie und der Bettler gleich, und Sie verfaulen genauso in der Erde wie er. Was bleibt von Ihnen übrig?«
    »Ein Sohn, der die Familie in meinem Geist weiterführt. Aber wie können Sie das verstehen?« Tong winkte ab, als umschwirre ihn ein lästiges Insekt. »Ich bin gekommen, um Ihnen zu sagen, daß Jian Ihre Tochter Lida nicht mehr sehen wird.«
    »Wollen Sie ihn in Ketten legen?«
    »Ihre Frage entspricht Ihrer Primitivität«, sagte Tong hochmütig. »Es kann keine Verständigung zwischen uns geben. Sie nehmen mein Angebot also nicht an?«
    »Meine Primitivität ist nicht groß genug, daß ich nach einem Knüppel griffe.«
    Zum ersten Mal ergriff jetzt Wu Junghou das Wort und sagte beschwichtigend: »Herr Tong bietet Ihnen Sicherheit und Wohlergehen. Denken Sie an Ihre Familie, die keine Sorgen mehr haben wird.«
    »Wir sind mit der Sorge aufgewachsen, sie ist unser ständiger Gast. Ein Gast übrigens, der uns lieber ist als Ihre Gegenwart.«
    »Es könnte härter für Sie werden als bisher. Mein Wort gilt auch im Komitee für das Erziehungswesen. Der Vorsitzende der Provinz Yunnan ist mein Freund«, rief Tong.
    »Sie drohen mir?«
    »Ich warne Sie, Herr Huang.«
    »Mir ist nichts vorzuwerfen. Ich habe immer meine Pflicht als Lehrer erfüllt.«
    »Als ob es darauf ankäme!« Tong schüttelte den Kopf. Sein Hochmut war grenzenlos. »Sie sind ein Mensch von erstaunlicher Naivität. Man kann einen rutschenden Berg nicht mit einer Bambusstange aufhalten. Begreifen Sie, was ich damit meine?«
    »Durchaus! Die Redlichkeit nennt so etwas Korruption.«
    Wu zog den Kopf tief in die Schultern und strich sich mit beiden Händen über das Gesicht. »Höre ich richtig?« rief er und gab sich Mühe, Empörung in seiner Stimme aufklingen zu lassen. »Sie beleidigen die Partei? Sind Sie ein Bourgeois?«
    »Ich bin ein ehrlicher Mensch, und ich bin stolz darauf, es in einer Zeit zu sein, in der Unehrlichkeit zum Fundament von Größe wird.«
    »So heult ein Schakal den Mond an.« Tong nickte Wu Junghou zu. »Wir können fahren. Wir werfen nur Worte in einen seichten Fluß.« Dann sah er Huang mit allem Mißfallen, zu dem er fähig war, an. »Jian wird nicht mehr hierher kommen«, sagte er. »Und dieses neue Haus da nehmen Sie als Stall, zu dem es gut taugt. Laß uns fahren, Junghou!«
    »Wir müssen Fengxia suchen, Vater. Sie wollte sich das Dorf ansehen.«
    »Wir warten unten auf der Straße auf sie. Wenn sie den Wagen sieht, wird sie kommen.« Tong hob die Schultern, als fröstelte ihn. »Ich möchte hier nicht länger bleiben – das alles beleidigt meine Augen und meine Nase.«
    Er wandte sich um, ging zum Wagen und stützte sich auf das Dach; ihm war klar, daß die Familien Tong und Huang zu Todfeinden geworden waren und Jian, sein Sohn, ein Opfer wurde wie Huangs Tochter Lida.
    Wu zögerte, Tong sofort zu folgen, wandte sich noch einmal an Huang und versuchte es zum Abschied mit Freundlichkeit. »Sie sind als Mensch ein ehrenwerter Mann, Herr Huang«, sagte er. »Und ich verstehe Ihren Zorn und Ihre Enttäuschung. Aber bitte verstehen Sie auch Herrn Tong, der um seinen einzigen Sohn kämpft.«
    »Ich verstehe ihn als Vater, denn ich kämpfe um meine einzige Tochter«, erwiderte Huang, und er atmete schwer unter der Schande, die man ihm angetan hatte. »Gott wird entscheiden, wer von uns der bessere Mensch ist. Was Herr Tong und Sie, Herr Wu, auch planen, ich weiche nicht zurück und werde mich wehren. Es ist nicht die Aufgabe eines Lehrers, ein Held zu sein, aber ich habe mein Gesicht, und das kann mir keiner nehmen. Man müßte mich schon ganz vernichten.«
    »Daran sollten Sie denken, Herr Huang.« Wu nickte ihm zum Abschied zu. »Es gibt viele Möglichkeiten, die ich lieber nicht nennen will. Eine könnte Sie treffen, und dagegen wäre auch ein Held ein Schwächling. Hören Sie auf die Vernunft, Herr Huang.«
    »Ich bin ein Miao«, sagte Huang, und diesmal klang Stolz in

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