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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Die Stimme war wie ein Hieb.
    »Ich bin nur der Schwiegersohn Wu Junghou«, stellte sich Wu vor; er grinste dabei, weil er wußte, daß das ›nur‹ bei Fengxia großen Ärger auslöste.
    Sie betraten das Haus, und ein einziger Blick genügte Tong, um zu erkennen, daß der Lehrer Huang, mochte er auch ein kluger Mann sein, zugleich ein armer war. Der Hauptraum des Hauses war sauber, aber die wenigen Möbel hätte Tong nicht einmal an einen Bettler verschenkt, ohne sich dabei zu schämen. Unschlüssig stand er herum und wußte nicht, ob er sich setzen sollte. Da hörte er in seinem Nacken Fengxia flüstern: »Jian muß den Verstand verloren haben!«, und sein Herz wurde bei dem Gedanken schwer, daß sich Jian wie ein Blinder hier herein verirrt hatte. Auch Wu, der die Lippen zusammenpreßte, schien das zu denken, aber er war der erste, der sich an den runden Tisch setzte und damit die herrschende Spannung etwas verminderte.
    »Sie haben eine lange Fahrt hinter sich«, sagte Huang höflich. »Die Straßen sind staubig, und die Kehle trocknet aus. Darf ich Ihnen ein Bier anbieten?« Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern holte aus einem Regal fünf dickwandige Gläser.
    Jinvan verschwand durch eine Hintertür und kam mit vier Flaschen Qingdao-Bier zurück. Tong war erstaunt, daß Huang sich ein so teures Bier leisten konnte, und während er den ersten Schluck trank, bereitete er sich darauf vor, noch weitere Überraschungen zu erleben.
    »Sie kommen wegen Lida und Jian?« sagte Huang, und Tong war ihm dankbar, daß er das Gespräch so direkt eröffnete. Tong warf einen Blick auf Fengxia, und sie verstand die Aufforderung und erhob sich vom Tisch.
    »Ist Lida nicht im Dorf?« fragte sie und bemühte sich, ihrer Stimme keinen bösen Klang zu geben.
    »Sie ist auf dem Feld«, antwortete Huang arglos. »Sie kommt erst am Abend zurück. Wir haben Zeit genug, miteinander zu reden.«
    »Ich sehe mir das Dorf an«, sagte Fengxia, und es klang, als habe sie Interesse an dem Leben in Huili. Sie verließ das Haus, ging langsam den Weg zur Straße hinunter und erblickte dabei eine alte Frau, die vor ihrem Haus auf einer Bank saß und eine schwarze Jacke bestickte. »Wo sind die Felder von Huang Keli?« fragte Fengxia, und als sie die Auskunft erhalten hatte, ging sie ohne Hast weiter, betrat den schmalen Pfad, der durch die Reisterrassen führte, und sah auf einem Sojabohnenfeld einen kräftigen schwarzbraunen Büffel und ein Mädchen in ausgeblichener blauer Hose und einem weiten blauen Hemd. Das lange schwarze Haar hatte sie im Nacken mit einer roten Schleife zusammengebunden.
    Fengxia blieb stehen und kniff die Augen zusammen. Auch aus der Entfernung bemerkte sie, daß Lida sehr schön war, und sie spürte wieder Haß in sich aufsteigen und den Wunsch, Lida mit diesem Haß zu zerstören. Wie eine Tigerin, mit geschmeidigen Bewegungen, setzte Fengxia ihren Gang fort, und je näher sie Lida kam, um so gnadenloser wurde ihr Vernichtungswille.
    Tong hatte unterdessen sein Glas Bier ausgetrunken. Er vermied es, Jinvan in die von Angst erfüllten Augen zu blicken, denn anders als ihr Mann zeigte sie, daß sie ahnte, wie sehr dieser Tag das Leben ihrer Familie verändern würde.
    »Ich weiß nicht, woher Jian Ihre Tochter kennt«, sagte Tong.
    »Sie sind einander auf dem Markt von Xiaguan begegnet, zufällig. Sie schauten beide einem Zahnarzt zu. So hat es begonnen.«
    »Und es wird auch ein Ende geben.« Tong faltete die Hände, um zu verhindern, daß Huang ihr Zittern bemerkte. »Hat mein Sohn irgend etwas versprochen?«
    »Er will meine Tochter heiraten, wenn er sein Arztexamen gemacht hat.«
    »Und Lida ist jetzt schon«, Tong suchte nach einem Wort, aber es fiel ihm kein anderes ein, »seine Frau?«
    »Sie lieben einander«, sagte Huang einfach. »Man kann den Wind nicht aufhalten, indem man eine Mauer baut. Sie sind ein Vater, und ich bin ein Vater, und jeder liebt sein Kind, und wir sind glücklich, wenn unsere Kinder glücklich sind.«
    »Ich bin nicht glücklich über das, was Jian Ihrer Tochter angetan hat.«
    »Was ist das für ein Wort, Herr Tong? Angetan? Zwei Menschen lieben einander, und das ist so natürlich, wie daß jeden Morgen die Sonne aufgeht und jede Nacht die Sterne am Himmel leuchten …«
    »Ich bin nicht gekommen, um Poesie zu hören«, unterbrach ihn Tong barsch. »Wir müssen eine Vereinbarung treffen, Herr Huang.«
    »Warum reden wir im Kreis herum?« Huang umfaßte mit beiden Händen sein Bierglas,

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