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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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seiner Stimme. »Mein Volk hat die Jahrhunderte überlebt, und auch ich werde kämpfen.«
    Auf dem Sojabohnenfeld gab es keine Diskussionen und Wortgefechte. Die Begegnung zwischen Fengxia und Lida war nur kurz.
    Als Fengxia den schlammigen Pfad entlang der Reisterrassen verlassen hatte und wieder festere Erde unter den Füßen spürte, ging sie quer über das Feld auf Lida zu, und es kümmerte sie wenig, daß sie dabei die Pflanzen in den Boden trat und eine Spur in dem grünen Teppich hinterließ. Lida hatte sich hingesetzt, um aus dem Weidenkorb ein Stück Speck und einen Maisfladen zu holen, denn heute brachte man ihr kein Mittagessen, da der Hausmeister der Schule seinen freien Tag hatte und mit dem Fahrrad zu seiner alten Mutter im Nachbardorf gefahren war. Lida saß auf einem flachen Stein, die Beine von sich gestreckt, und neben ihr auf der Erde stand wie immer der Jade-Pavillon, mit dem sie in den Ruhepausen sprach, als sei er Jian. Sie brach gerade ein Stück des Fladens ab und wollte sagen: »Mein Liebster, sitzt du jetzt in der Kantine der Universität und ißt auch?«, als sie zusammenzuckte, denn hinter sich hatte sie einen Laut gehört, als sei ein Stein ins Rollen geraten. Sie fuhr herum und blickte in Fengxias harte Augen.
    Fengxia hatte sich lautlos angeschlichen, und nun stand sie vor Lida und starrte auf sie hinunter. Sie stellte sich eiskalt vor, daß Lida den leichten Abhang hinabrollen würde, wenn sie jetzt mit dem Fuß ausholte und sie wegtrat.
    »Willkommen«, sagte Lida den üblichen Gruß. »Was führt dich auf mein Feld?« Sie legte Speck und Fladen in den Weidenkorb zurück und musterte die Besucherin. Deren olivgrüner Rock und die dazu passende Jacke im strengen Mao-Schnitt erinnerten sie an eine Uniform, und so war es für Lida keine Frage, daß diese Frau aus der Stadt gekommen war. »Kann ich dir irgendwie helfen? Suchst du jemand?«
    »Dich!«
    Nur dieses eine Wort sagte Fengxia, aber es war wie ein Peitschenknall. Instinktiv spürte Lida die Gefahr, als stehe sie einer Schlange gegenüber, die sich jeden Moment zum Biß aufrichten konnte. Sie wollte aufstehen, aber Fengxias Hand drückte sie nieder. Mit einem kurzen Schlag, dessen Kraft Fengxia hätte warnen müssen, schüttelte Lida die Hand ab und kam so schnell auf die Beine, daß Fengxia sie nicht mehr packen konnte.
    »Wer bist du?« fragte Lida, und ihre Stimme war eine einzige Warnung. »Was fällt dir ein, mich anzufassen?«
    »Ich bin Fengxia, Jians Schwester.« Sie schleuderte ihre Geringschätzung Lida ins Gesicht. »Ich bin gekommen, um die Bauernhure zu sehen, die meinen Bruder verhext hat. Und was finde ich vor? Ein nach Büffelscheiße stinkendes Trampel!«
    »Lieber nach Büffel stinken – das kann man abspülen«, sagte Lida. Ihre fast schwarzen Augen tasteten Fengxia ab, so wie ein Ringer seinen Gegner mustert, um herauszufinden, wo er den besten Griff ansetzen kann. »Wer aber aus den Poren stinkt vor Gift, dem nutzt kein Bad mehr.«
    Fengxia duckte sich. Jetzt glich sie wirklich einem Raubtier, das zum Sprung ansetzt. Wenn ehrenwerte Männer miteinander sprechen, bewahren sie Haltung; der Haß der Frauen aber ist wie eine Sturmflut, die alle Dämme bricht.
    »Du wirst Jian nie wiedersehen!« sagte Fengxia. »Nie, nie mehr!«
    »Es liegt nicht in deiner Macht, Jian festzuhalten.«
    »Es ist mein Wille, und mein Wille ist stark genug.«
    »Dein Bruder wird dich auslachen. Er hat viel von dir erzählt.«
    »Hat er das?« Über Fengxias Gesicht lief ein grausames Lächeln. »Dann weißt du auch, daß ich die Macht habe, dich in einem vergitterten Loch verschwinden zu lassen. In China ist die Hurerei verboten. Ein strenges Gesetz verfolgt die Unzucht. Erst vor drei Wochen sind drei Männer in Guangzhou hingerichtet worden, weil sie Hefte mit schweinischen Bildern aus Hongkong verkauft haben. Man wird dich nicht erschießen, aber du wirst in einem Straflager verschimmeln, und dein schöner Körper, dein glattes Gesicht, deine weiche Haut werden zusammenschrumpfen wie ein alter Apfel. Das verspreche ich dir.«
    »Ich höre eine Maus, die in einem goldenen Käfig lebt, aber lieber ein Stück Käse hätte.«
    »Du Hure!« schrie Fengxia und ballte die Fäuste.
    »Ich liebe nur einen Mann!« schrie Lida zurück. »Aber ich kenne ein Weib, das vor seiner Hochzeit sich mit zwei Dutzend Männern im Bett gewälzt hat.«
    »Du Aas! Du verfluchte Drachenbrut!« Der Haß auf Jian, der ihr Vorleben preisgegeben hatte, schlug

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