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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Verfassung verkündet. Die Modernisierung Chinas begann, und Deng sprach von einem Reformkurs, der Chinas Wirtschaftskraft bis zum Jahre 2000 um das Vierfache steigern sollte. Doch schon 1983 wurde dieser Kurs von den konservativen Kräften in der KP und der Generalität in Frage gestellt; sie wandten sich gegen die ›Kapitalisierung Chinas‹.
    Die Kampagne gegen die ›geistige Verschmutzung‹ begann, Schwerverbrecher wurden öffentlich hingerichtet, wozu die Bevölkerung eingeladen wurde, und ganz Eifrige machten wieder Jagd auf kritische Intellektuelle; man verbot die ›dekadente‹ Mode, die vor allem von Hongkong nach China eindrang. Lange Haare und westliche Musik wurden als Verrat an Chinas Kultur angeprangert.
    Doch die Freiheit ließ sich nicht mehr ganz unterdrücken. Ende 1986 gingen vor allem die Studenten auf die Straße und demonstrierten für mehr Demokratie, mit Wohlwollen beobachtet von Hu Yaobang, der die Studenten nicht niederknüppeln ließ, wie der konservative Parteiflügel forderte. Aber noch einmal siegten die Konservativen: Hu Yaobang wurde als Parteivorsitzender von Zhao Ziyang abgelöst, der zwar auch ein Liberaler war, jedoch nur die Rolle eines Aushängeschildes gegenüber dem Ausland zu spielen hatte. Indes mußte er nach kaum einem Jahr sein Amt an Li Peng abgeben, der zwischen konservativ und liberal hin und her pendelte.
    Im Westen wurde diese Entwicklung mit großem Interesse verfolgt. Die Wirtschaftsgiganten der westlichen Welt standen bereit, China bei seinem Weg aus der Isolierung Hilfe zu leisten. Für einen privaten Flüchtling, der Tong Jian hieß, war jedoch kein Platz frei.
    Das alles ging Jian durch den Kopf, wenn er in den Nächten wach lag und Lidas warmen, glatten Körper in seinen Armen hielt. Am dritten Tag sagte er dann, und seine Zunge war schwer vor Wehmut: »Ihr habt alle recht. Es ist besser für uns, wenn ich mich dem Willen meines Vaters beuge und in Beijing weiterstudiere. Auch diese Jahre gehen vorüber, und wenn ich Arzt geworden bin, hat keiner mehr Macht über mich, und es gibt keinen Befehl mehr, dem ich gehorchen muß. Dann fängt unser Leben an, Lida!«
    Nun also landete das Flugzeug aus Kunming auf dem Flughafen von Beijing. Jian schwamm im Strom der Reisenden mit, unmittelbar hinter einer Gruppe von Touristen aus Bayern, die sich laut über ein kaltes Bier freuten, das sie gleich im Hotel trinken wollten.
    In der Halle des Flughafens warteten Dr. Pohland und Holger auf den ihnen aufgezwungenen Gast. Tong Shijun hatte am Sonnabend angerufen und gesagt, daß sein Sohn einen hellbraunen Anzug und eine gelbgestreifte Krawatte trage, und vor allem an der Krawatte könne man ihn leicht erkennen. Dr. Pohland hatte geantwortet, daß es in Beijing zur Zeit noch ungewöhnlich warm sei, deshalb trage er einen cremefarbenen Seidenanzug, und sein Sohn Holger komme wohl in Jeans und einem T-Shirt, auf dem ein Baseball-Spieler abgebildet sei.
    Tong wurde von dieser Mitteilung leicht verwirrt, zumal man in Kunming solche Mode nicht kannte, und er fragte sich, ob die fünf neuen Maßanzüge Jians nicht doch zu konservativ waren.
    Die Bayerngruppe marschierte durch die Absperrung und wurde von zwei Dolmetschern empfangen, die ein Schild mit der Schrift ›Hotel Große Mauer‹ an einem Bambusstock hochhielten. Hinter den Bayern trat Jian mit seiner Reisetasche in die Halle, blieb stehen und sah sich um. Fast gleichzeitig nahmen Holger und Jian einander wahr.
    »Das ist er«, sagte Holger und stieß seinen Vater an. »Der Maßgeschneiderte. Ein feiner Pinkel.«
    »Holger!« Dr. Pohland warf seinem Sohn einen strafenden Blick zu. »Vielleicht fühlt er sich gar nicht wohl in seinem Anzug. Mein erster Eindruck: Er ist ein netter Bursche.«
    »Abwarten, Vater. Morgen früh können wir mehr sagen.«
    Dr. Pohland und Holger gingen auf Jian zu, und Jian kam ihnen mit unsicherem Lächeln entgegen. »Tong Jian«, sagte er mit einer leichten Verneigung vor Dr. Pohland. »Ich bitte um Verzeihung, daß ich Ihren Alltag belaste, aber es war der Wunsch meines Vaters, und ich habe keinen Einfluß auf seine Entscheidung gehabt.« Dann blickte er Holger an, der etwas maliziös lächelte; er sah die traditionelle unterwürfige Höflichkeit der Chinesen als völlig veraltet an.
    »Sie sind Holger?« fragte Jian.
    »Hallo!« Holger gab ihm die Hand. »Ich hoffe, daß es dir bei uns gefällt. Hast du viel Gepäck bei dir?«
    »Zwei große Koffer.«
    »Und alle voll Klamotten? Kunming

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