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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Freund?«
    »Gefällt er dir nicht?« fragte Holger zurück.
    »Er erinnert mich an ein Märchen, in dem eine Ratte in ein Biberfell schlüpft und die Nester leerraubt.«
    »Das ist ein hartes Urteil, Jian. Charly ist anders als wir, das ist alles. Er kümmert sich nicht darum, was andere von ihm denken. Er lebt so, wie er will. Aber er gehört zu unserem Kreis und hat schon viele Gleichgesinnte geworben. Wenn er bei unseren Zusammenkünften Reden hält, reißt er jeden mit. Er trommelt die Ideen in die Hirne. So einen brauchen wir.«
    »Und warum setzt er sich so für eure Sache ein? Was geht ihn Chinas politische Zukunft an?«
    »Er kommt aus einer Familie, die schon immer Kommunisten waren. Er denkt an den Weltkommunismus. Wenn eine Milliarde Kommunisten losmarschieren, sagt er, gehört uns die Welt.«
    »Bist du auch Kommunist?«
    »Nein. Ich bin Demokrat.«
    »Und ihr glaubt wirklich, in China könne es eine Demokratie nach westlichem Muster geben?«
    »Ja, das glauben wir. Man weiß ja im Westen gar nicht, was China der Welt alles zu bieten hat.«
    »Eine fünftausendjährige Kultur und zweihundert bis dreihundert Millionen Arme, die gerade noch leben können, weil sie von der Bescheidenheit satt werden.«
    »Das soll anders werden.«
    »Es wird sich nichts ändern, Holger, dazu ist China zu groß, und seine Menschen sind zu genügsam.«
    An einem dieser Tage stellte sich Jian beim Dekan der medizinischen Fakultät vor.
    Dieser hatte den Sohn des berühmten Tong Shijun schon erwartet und begrüßte ihn wie einen Verwandten. »Beijing wird Ihnen gefallen«, sagte er. »Ihre Einschreibung ist schon erfolgt, von Kunming aus. Es ist alles geregelt. Ihr Studentenausweis liegt im Sekretariat. Mit ihm können Sie in der Mensa auch kostenlos essen.«
    »Mein Vater hat an alles gedacht.« Jian lächelte etwas schief. »Ich habe nicht gewußt, daß mein Vater ein so großes Organisationstalent hat. Was hat er sonst noch für mich getan?«
    »Er hat dafür gesorgt, daß Sie in den kommunistischen Studentenkader aufgenommen werden. Der Vorsitzende ist ein gewisser Bai Hongda.«
    Bai Hongda! Jian ließ nicht erkennen, wie überrascht er war. »Ich bin meinem Vater zu großem Dank verpflichtet«, sagte er nur.
    Im Hauptpostamt schrieb er an einem schrägen Schreibbrett einen Brief an Lida, nannte seine Adresse bei Dr. Pohland und die Telefonnummer und beendete das Schreiben mit den Worten: »Beijing ist eine ungeheure Stadt. Ich wünschte, du könntest hier sein. Dir würden die Augen übergehen vom Sehen und Erleben. Lida, ich liebe dich wie die Sonne, denn du allein gibst mir in meinem Leben Licht.«
    Der Brief erreichte Huili nicht, wie auch alle Briefe verschwanden, die Jian im Lauf der nächsten Monate schrieb. Tong hatte Fengxia nach Dukou geschickt, wo die Post für die Dörfer verteilt wurde, und Fengxia ging zu dem Leiter des Postamtes und sagte: »Genosse, es ist der Wille der Partei, daß alle Briefe, die an eine Huang Lida adressiert sind oder an die Familie Huang Keli, nicht nach Huili befördert werden.«
    »Ich habe verstanden«, antwortete der Leiter des Postamtes ohne Gegenfrage. »Ein Wunsch der Partei bedarf keiner Frage. Sollen sie gesammelt und aufgehoben werden? Sollen sie an eine Dienststelle der Partei weitergegeben werden?«
    »Nein. Vernichten Sie sie, Genosse. Es hat diese Briefe nie gegeben.«
    »Sie nannten den Lehrer Huang Keli.« Der Leiter des Postamtes kratzte sich den Schädel. »Ich will nicht wissen, welche Gründe die Partei hat, aber ich muß Ihnen sagen, daß dieser Huang Keli ein Telefon beantragt hat.«
    »Ablehnen!« erwiderte Fengxia im Befehlston. »Ablehnen!«
    »Welche Begründung soll man angeben?«
    »Gar keine! Ein Bauernlehrer hat keine Fragen zu stellen. Es heißt nein, und dem muß er sich beugen.«
    Der Leiter des Postamtes atmete auf, als Fengxia fortging.
    Sein Stellvertreter, der durch die dünne Tür im Nebenraum alles gehört hatte, stürzte ins Zimmer. »Wer war denn das, Zongdao?« rief er. »Sie hat ja Feuer gespuckt wie ein Drache.«
    »Halt den Mund!« erwiderte Zongdao leise, als könne Fengxia es noch hören. »Sie ist aus Kunming gekommen und ein Mitglied des dortigen Zentralkomitees. Sie hat mir ihren Ausweis gezeigt. Du hast nichts gehört, verstehst du? Ab sofort legst du mir alle Post, die nach Huili geht, auf den Tisch.«
    »Das wird nicht viel sein.«
    »Es genügt, wenn ein Brief dabei ist, den die Partei nicht mag. Ich möchte diesen Drachen aus
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