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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Aufdruck und galt im Tennisklub der Botschaften als As. Er sprach ein vollendetes Mandarin-Chinesisch, Englisch, Französisch und natürlich auch Deutsch. Jin Jingwen hatte allen Grund, voller Stolz auf ihr ›Goldköpfchen‹ zu blicken. Nur eines trübte ihre Freude, und das war Holgers Freundschaft mit dem deutschen Gaststudenten Karl Reindl, der sich selbst nur als ›Charly‹ vorstellte. Jin Jingwen hatte keine Begründung dafür, warum sie vom ersten Blick an Reindl nicht mochte, ja Widerwillen gegen ihn empfand, denn er war höflich, grüßte Jingwen, als sei sie keine Angestellte, sondern eine Dame der Gesellschaft, und oft saß er in der Küche, erzählte dem Koch zweideutige Witze und sprach dabei ein Chinesisch, das den Koch laut hätte lachen lassen, wenn es ihm die Höflichkeit nicht verboten hätte.
    Charly Reindl stammte aus dem Ruhrgebiet, aus Dortmund-Horde. Sein Vater, so gab er an, war Meister in einer Werkzeugfabrik und im schwarz-roten Bonner Staat, so nannte er die Bundesrepublik, ein heimlicher Kommunist, wie überhaupt die Reindls seit dem Großvater die Lehren von Marx, Engels und Lenin schon mit dem Kindersuppenlöffel gegessen hatten. Das war auch die Empfehlung, die ihm im Auswahlverfahren der Chinesen einen Studienplatz in Beijing einbrachte, obgleich keiner begriff, warum er gerade in China studieren und was er später mit chinesischer Kunstgeschichte anfangen wollte. Maschinenbau in Aachen wäre besser für ihn gewesen.
    Die Freundschaft zwischen Charly Reindl und Holger Pohland hatte in der Mensa der Universität begonnen. Obwohl Reindl schon ein halbes Jahr in Beijing lebte, war es ihm noch nicht ganz gelungen, mit Stäbchen zu essen, und Holger wurde auf ihn aufmerksam, als Reindl ein paarmal laut »Verdammt!« rief, wenn ihm ein Stückchen Hühnerfleisch oder ein Gemüseblatt durch die Stäbchen rutschte.
    Holger war daraufhin an seinen Tisch gekommen und hatte gesagt: »Paß mal auf, Kumpel, ich zeige dir genau, wie man mit Eßstäbchen umgeht. Es ist ganz einfach. Der ganze Trick ist, daß du nur ein Stäbchen bewegst, das obere.«
    »Wer das erfunden hat, verdiente Prügel!« erwiderte Reindl. »Gestern gab es gekochten Fisch, weich gekochten Fisch. An den verdammten Stäbchen flutschte alles weg. Da hab' ich mit den Fingern gegessen, übrigens die älteste Methode der Nahrungsaufnahme. Oder glaubst du, der Sinanthropus pekinensis, auch genannt der Peking-Mensch, hat schon mit Stäbchen gegessen?«
    »Was jeder Asiate kann, lernst du auch«, lachte Holger. »Ich bin Holger.«
    »Ich bin Charly aus Dortmund.«
    So lernten sie sich kennen, und aus der ersten Begegnung wurde bald eine richtige Freundschaft. Sie spielten zusammen Tennis, Reindl lernte Gitarre und zupfte in der Band mit, und auch Dr. Pohland fand den Jungen aus dem Ruhrpott sympathisch, denn Reindl konnte witzig erzählen und war ein richtiger Kumpeltyp. Nur Jin Jingwen mochte ihn nie, aber sie wußte nicht, warum. In ihr sträubte sich alles gegen Reindl, und immer, wenn er ins Haus der Pohlands kam, sah sie ihn finster an und sagte zu dem Koch: »Eine Giftschlange schleicht wieder durch das Haus.«
    Durch Reindl lernte Holger auch Bai Hongda kennen. Eines Tages brachte Reindl ihn zur Probe der Band mit und sagte: »Das ist Bai Hongda. Vom Jazz hat er keine Ahnung, kann nur das chinesische Gejaule und liebt deutsche Volkslieder wie ›Schwarzbraun ist die Haselnuß‹. Trotzdem ist er ein lieber Kerl. Außerdem ist er der Führer einer fortschrittlichen Studentengruppe und studiert Jura. Wenn du mal einen Alimentenprozeß führen mußt, er berät dich gern darüber, wie man chinesische Mädchen abfindet.«
    »Ich freue mich, dich kennenzulernen«, sagte Bai mit aller Höflichkeit, die einen gebildeten Chinesen auszeichnet, und verneigte sich leicht. Dann gaben sie sich nach europäischer Art die Hand.
    »Ich glaube, wir sind ein gutes Gespann«, stellte Reindl ein paar Tage später fest. »Ein Han-Chinese, ein Deutscher, der wie ein Chinese denkt, und einer aus dem Kohlenpott. So was gibt es nur in Beijing.«
    Es war an einem Mittwoch, als der Rektor der Universität Dr. Pohland zu einer Unterredung bat. Sie saßen sich auf geschnitzten Eisenholzstühlen gegenüber, tranken die obligatorische Tasse Tee und tauschten zunächst unverbindliche Freundlichkeiten aus, erkundigten sich nach den Familien und deren Gesundheit. Dr. Pohland war gespannt, welchen Grund ihrer Besprechung Professor Li Hiao nennen würde.
    Nach

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