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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wischte sich mit der Serviette über den Mund. »Wir werden abwarten. Wenn er vor lauter Hochwohlgeborenheit die Nase zum Himmel reckt, wird er über mich stolpern.«
    »Und ich trete ihm in den Hintern!« rief Reindl grob.
    Das Flugzeug aus Kunming kam am Sonntagmittag pünktlich in Beijing an. Jian holte seine Reisetasche aus dem Gepäckfach; im Frachtraum der Maschine lagen zwei große Koffer für ihn. Seine Eltern waren mit ihm in den besten Geschäften Kunmings gewesen und hatten eingekauft.
    »Beijing ist anders als Kunming«, hatte Tong zu seiner Frau gesagt. »Dort kann er nicht wie ein Straßenarbeiter herumlaufen. Er soll ja auch unsere Familie repräsentieren.« Und so ließ er für seinen Sohn bei drei Schnellschneidern, die sonst für die reichen Touristen arbeiteten, fünf Maßanzüge anfertigen, kaufte die teuersten Hemden, die besten Schuhe, die modischsten Krawatten und die bequemste Unterwäsche.
    Jian ließ alles klaglos geschehen und nickte nur, wenn man ihn fragte.
    Meizhu sagte eines Abends zu Tong, als sie zu Bett gegangen waren: »Jians Seele ist tot. Du hast ihn getötet, Shijun.«
    »Es ist nur ein Übergang«, antwortete Tong. »In Beijing wird er neue Freunde finden und wieder Freude am Leben. Wir wissen nicht, was in Huili geschehen ist, als er Abschied von Lida genommen hat. Ich will es auch nicht wissen. Wichtig ist nur, daß er sich nicht dagegen wehrt, in Beijing zu studieren. Der künftige Arzt ist in ihm doch stärker als der Liebhaber. Das gibt mir Hoffnung.«
    So einfach, wie Tong es sah oder sehen wollte, war es aber nicht gewesen. Drei Tage war Jian in Huili geblieben, und was man ihm vom Auftreten seiner Familie erzählte, trieb ihm die Scham ins Gesicht.
    »Ich werde in den Norden fliehen!« hatte er zu Huang gesagt. »In die Taklimakan-Wüste oder nach Urumqi, irgendwohin, wo mich keiner sucht und keiner findet. Oder ich werde versuchen, nach Amerika oder Europa zu kommen, und dort weiterstudieren.«
    »Ohne Geld?« fragte Huang. »Ich kann dir keines geben.«
    »Ich habe zwei Hände und zwei starke Arme. Ich werde jede Arbeit tun, auch die schmutzigste, vor der die anderen davonlaufen. Ich schaffe es, Keli, ich schaffe es.«
    »Und ich muß nicht vier, sondern fünf oder sieben Jahre warten! Jian, eine Flucht ist nicht gut.« Lida stand hinter ihm und schlang die Arme um seinen Hals. »Du fliehst in ein anderes Leben, in dem weder du noch ich glücklich sein können. Folge dem Befehl deines Vaters, studiere in Beijing weiter.«
    »Beijing – Lida, wir werden uns im Jahr vielleicht nur einmal sehen!«
    »Aber du bist in China. Wenn du in New York oder Paris oder London lebst, sehen wir uns auch dieses eine Mal nicht. Dann bist du fort aus unserer Welt. Du bist ein Flüchtling, und dein Name wird in China gestrichen werden, und du bist kein Chinese mehr. Bleib in China und geh nach Beijing. Du weißt, ich warte geduldig auf dich. Zeig deinem Vater, wie stark du bist und wie unverletzlich unsere Liebe. Wir haben doch nur das eine Leben.«
    Drei Tage überdachte Jian die Möglichkeiten, die ihm blieben. In den Nächten, wenn Lida in seinen Armen eingeschlafen war, kam er immer wieder zu der Erkenntnis, daß es klüger war, seinem Vater nachzugeben, als ins Ausland zu fliehen und dann im Ungewissen zu leben. Kein Staat würde ihm Asyl gewähren, denn er hatte China nicht wegen politischer Verfolgungen verlassen, sondern wegen familiärer Auseinandersetzungen.
    Die Einstellung der Großmächte gegenüber China hatte sich zudem völlig geändert, die Öffnung nach Westen, die schon Zhou Enlai geplant hatte, war nun durch Deng Xiaoping erfolgt; alle Staaten hatte die diplomatischen Beziehungen zu China wieder aufgenommen.
    Die alten Herren in Beijing warfen das Ruder völlig herum und steuerten einen neuen Kurs, der ganz im Sinne der westlichen Staaten lag. 1978 fiel die Kollektivierung der Landwirtschaft der neuen Linie zum Opfer, die Bauern bekamen ihr Land als Privatbesitz wieder zurück, und auf den Märkten herrschte Freizügigkeit. Private Kleinbetriebe entstanden, Literatur und Kunst blühten wieder auf, die Religionsfreiheit wurde wieder eingeführt; aber alles wurde übertroffen von etwas geradezu Unglaublichem: Viele Opfer der Kulturrevolution, auch die während jener Jahre Hingerichteten, wurden öffentlich rehabilitiert.
    1981 ernannte Deng Xiaoping seinen Freund Hu Yaobang zum Vorsitzenden der Partei, und Zhao Ziyang wurde Ministerpräsident. 1982 wurde eine neue

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