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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ein kleines Eßlokal, das in einer engen Nebenstraße lag. Hier fiel Lida in ihrer schmutzigen Steppjacke nicht auf, und als Jian für sie eine Nudelsuppe mit Schweinefleisch bestellte, machte sich Lida hungrig über sie her.
    »Wann hast du das letzte Mal gegessen?« fragte Jian erschüttert.
    »Ich weiß es nicht. Gestern habe ich von rohen Gemüseabfällen gelebt, die ich auf einem Markt gesammelt habe. Ich habe nicht einen Yuan mehr in der Tasche.«
    »Ich bestelle dir noch einen Topf mit Reis und Hühnerfleisch.« Er ging zu der dicken Frau, die in einer fleckigen weißen Schürze und mit einem weißen Käppi auf den grauen Haaren am Herd stand, bezahlte im voraus und fragte: »Hast du ein Telefon?«
    »Sehe ich aus, als wenn ich mir das leisten könnte? Nebenan der Schneider, der hat ein Telefon. – Wieviel Hühnerfleisch?«
    »Das Doppelte wie sonst, dafür weniger Reis.«
    »Du wirst sie eine halbe Stunde abseifen müssen, ehe du sie ins Bett nimmst«, sagte die Dicke. »Wo hast du sie aufgelesen? In einem Acker? Wenn sie gewaschen ist, wird sie bestimmt schön aussehen. Jetzt stinkt sie.«
    Jian gab keine Antwort, sondern ging nebenan zu dem Schneider.
    Der Meister sprang sofort hoch, ergriff einen Stoff, hielt ihn Jian hin und rief: »Genosse, Sie haben den richtigen Weg gefunden. Ich habe die besten Stoffe, sehen und fühlen Sie nur. Bei mir bestellen sogar die Professoren der Universität ihre Anzüge. In drei Tagen werden Sie der eleganteste Mann in Beijing sein.«
    »Wollen Sie zehn Yuan ohne Arbeit verdienen?« fragte Jian kurz.
    Der Schneider riß ungläubig die Augen auf. »Zehn Yuan ohne Arbeit? Ja, Genosse.«
    »Dann lassen Sie mich telefonieren.«
    Jian legte die zehn Yuan auf den Tisch, der Schneider steckte die Scheine in die Tasche und begriff nicht, wie jemand, auch wenn er anscheinend zu viel Geld besaß, für die Benutzung eines Telefons eine solche Summe zahlte.
    Jian ging in ein Hinterzimmer, wählte die nur wenigen Vertrauten bekannte Nummer von Bai Hongda und hatte Glück, daß Bai zuhause war.
    »Du mußt mir helfen, Hongda«, sagte Jian eindringlich. »Nur du kannst es.«
    »Beschattet man dich? Hat man dich verhört?«
    »Nein. Nichts in dieser Richtung. Ich habe dir doch von Lida erzählt.«
    »Deinem Mädchen? Der Tochter des Miao-Lehrers?« Damit bewies Bai, welch ein vorzügliches Gedächtnis er hatte. »Was ist mit ihr?«
    »Sie ist gerade in Beijing angekommen. Vor einer halben Stunde stand sie vor der Universität, als ich herauskam.«
    »Das ist die denkbar ungünstigste Zeit, die sie wählen konnte.«
    »Ich weiß nicht, wo ich sie unterbringen soll. Sie ist illegal hier, ist heimlich von zu Hause fort. Bei mir kann sie nicht wohnen. Die Pohlands würden es nie zulassen, und die Geheimpolizei wäre sofort informiert. Das ist das Letzte, was wir jetzt gebrauchen können. Ich verlasse mich auf dich, Hongda. Nur du kannst jetzt noch helfen.«
    »Wo seid ihr?« fragte Bai knapp.
    »In einer Garküche.« Jian nannte den Namen der Gasse.
    »Ich komme.«
    »Wie soll ich dir danken, Hongda?«
    »Darüber werden wir später reden. In einer halben Stunde bin ich bei euch.«
    Jian legte den Hörer auf, ging nach vorn in die Werkstatt des Schneiders und sagte mit einem befreiten Lachen: »Sehen Sie, Genosse, so leicht kann man Geld verdienen!«
    »Wenn es noch mehr Verrückte wie Sie gäbe, könnte ich vom Telefon leben.« Der Schneider grinste Jian an und nähte an einer Hose weiter. »Aber vergessen Sie nicht, daß ich die besten Stoffe habe. Für alle Fälle.«
    In der Garküche wartete Lida ungeduldig auf ihn. »Wie gut, daß du endlich kommst!« rief sie und sprang auf. »Zwei Männer waren schon hier und wollten mich mitnehmen. Fünf Yuan haben sie geboten.«
    Jian fuhr zu der Dicken herum und schrie: »Das hast du zugelassen? Du siehst zu, wie sie das Mädchen belästigen?«
    »Bin ich für sie verantwortlich?« schrie die Dicke zurück. »Fünf Yuan sind ein guter Preis für diese verdreckte Maus.«
    »Man sollte dich prügeln!« Jian ballte die Fäuste. »Aber du hast Glück – ich rühre keine Frau an. Bring zwei Limonaden!«
    Nach einer knappen halben Stunde kam Bai Hongda in die Garküche; er brachte Charly Reindl mit, was Jian gar nicht gefiel.
    Reindl starrte Lida an, dann schüttelte er den Kopf und wandte sich an Jian. »Ist sie Kanalreinigerin?« fragte er.
    Jian blickte wütend Bai an. »Mußtest du ausgerechnet den mitbringen?«
    »Er mußte.« Reindl grinste breit.
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