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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Mutter vernichtete den Brief, in dem diese Bemerkung stand, sofort, und eine Antwort gab sie auch nicht, als Jian in seinem nächsten Brief fragte: »Was hast du von Lida gehört?« Es war ein Hilferuf, aber Jian rechnete nicht damit, daß er gehört wurde.
    So wurde es März 1989, und Bai Hongda war endlich bereit, Jian nicht mehr zu mißtrauen. Er bestellte ihn zu einem heimlichen Treffen der Führer verschiedener Studentengruppen, und weil es in Beijing unmöglich ist, sich in einem Haus zu treffen, ohne daß das zuständige Straßenkomitee davon Kenntnis bekäme, traf man sich auf dem Gelände des Sommerpalastes, in dem langen, überdachten Wandelgang unterhalb des Wanshou Shan, des ›Berges der Langlebigkeit‹. Es war fast symbolisch, daß man sich hier traf, denn lange leben wollten sie alle, die jetzt eine Verschwörung bildeten, lange leben in einem erneuerten, demokratischen China.
    »Ich stelle euch unseren neuen Kameraden Tong Jian vor«, sagte Bai und drückte ihm zur Demonstration seines Vertrauens die Hand. »Er gehört jetzt zu unserem inneren Kreis.« Mit fester, befehlsgewohnter Stimme fuhr er fort: »Welche Meldungen oder Beobachtungen sind bei euch eingegangen? Wir müssen sicher sein, daß in allen großen Städten die Studenten und die Werktätigen mit uns zusammen demonstrieren. Unser Protest muß das ganze Land erfassen und darf sich nicht auf Beijing beschränken. Wie sehen die Kontakte aus?«
    »Sehr gut.« Charly Reindl, der Bais Sekretär geworden war und die Koordinierung der auswärtigen Gruppen vorantrieb, blätterte in einem kleinen Notizbuch, das man bei einer Verhaftung in den Mund stecken, zerkauen und hinunterschlucken konnte. »Man wartet auf das Zeichen von uns.«
    »Die internationale Presse hat einen geheimen Wink von mir bekommen«, sagte Bai.
    »Das war ein Fehler, Hongda.«
    Die anderen waren über Jians Worte betroffen: Bai wurde kritisiert, dazu noch von einem Neuling! »Ein einziger Hinweis genügt, und wir sind alle verhaftet«, fuhr Jian fort. »Gibt es einen Journalisten, der ein Geheimnis bei sich behalten kann?«
    »Die Welt soll wissen, daß China sich im Aufbruch befindet.«
    »Es wäre besser gewesen, die Welt damit zu überraschen.«
    »Es ist nun mal geschehen«, sagte Bai und winkte ab, aber in seiner Geste lag plötzlich Unsicherheit. »Gerüchte hat es in China immer gegeben.«
    »Und sie hatten immer Tote zur Folge. Kameraden«, Jian sah sich im Kreis der ihn Umstehenden um, »durch ein offenes Fenster kommt nicht nur frische Luft herein, sondern auch jede Menge Fliegen.«
    »Dafür gibt es einen Fliegenspray!« rief Reindl.
    »Du sagst es.« Jian sah ihn mit scharfem Blick an. »Aber haben wir einen?«
    Am Morgen eines trüben Tages Ende Februar wunderte sich Huang Keli, als er aufwachte, daß im Stall noch der Büffel rumorte und Lida nicht aus ihrem Haus in das elterliche gekommen war. Auch Jinvan schlief noch, die sonst von Lida geweckt wurde, der Frühstückstisch war nicht gedeckt, und als Huang auf seine Uhr blickte, war es bereits sieben Uhr, eine Zeit, zu der Lida sonst längst an die Arbeit gegangen war.
    Mit einem langen Seufzer erhob sich Huang aus seinem Bett, sagte sich, ein so trüber Tag reize nicht zur Arbeit, zog seine Hosen an und ging zu dem Neubau hinüber.
    Lida lag nicht in ihrem Bett, wie er erwartet hatte, es schien vielmehr gar nicht benutzt worden zu sein. Aber das war nicht gut möglich, denn sie hatten zusammen das Abendessen eingenommen, und Lida hatte danach gesagt: »Ich bin müde. Ich lege mich gleich hin.«
    Huang schloß wieder die Tür und ging in den Stall, wo der Büffel mit seinen Hörnern unruhig gegen die Holzwand stieß. Dort blieb er wie angewurzelt stehen – er konnte nicht glauben, was er sah.
    Um die Hörner und den dicken Hals des Büffels hatte Lida Blütenkränze gewunden, das Fell war blank gebürstet, das beste Grünfutter lag in dem Freßtrog, den die Huangs als einzige in Huili besaßen, denn die Bauern warfen ihren Tieren das Fressen einfach auf den Stallboden.
    Huang lehnte sich an die Tür und schloß die Augen. Er spürte ein Zucken in seinen Beinen, glaubte umzufallen, klammerte sich rasch am Türrahmen fest und preßte die Stirn gegen das Holz.
    So stand er eine ganze Zeit im Stall, bis er vom Haus Jinvan rufen hörte. Da stieß er sich von der Tür ab, tappte kraftlos über den Hof und fiel im Haus auf sein Bett, mit einem starren Blick, der nichts mehr zu erkennen schien. Jinvan saß hinter dem
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