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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gemacht.«
    »Alles hat seinen Anfang, sonst gäbe es kein Ende.«
    »Man wird sie betrügen.«
    »Meine Tochter betrügt keiner so schnell. Sie hat ein waches Auge, sie ist stark, man sieht ihr an, daß man sie nicht betrügen kann. Frau, sie muß unter andere Menschen.«
    Aber Huangs Hoffnungen erfüllten sich nicht. Zwar fuhr Lida mit dem Dreiradtraktor und einem großen Kastenwagen voll Obst, Chinakohl und Bündeln von Glasnudeln zum Markt von Nanhua, sie verkaufte auch alles und kaufte selbst neue Töpfe, eine Zinkwanne, eine Axt, zwei Schaufeln, ein großes Sieb und eine große, drei Liter fassende Thermoskanne für den grünen Tee, der den Durst löschte, wenn man den ganzen Tag auf den Feldern arbeitete.
    Aber von einem Mann sprach sie nicht, so sehr Huang sie auch ausfragte und alle List aufwandte, damit Lida seine Hintergedanken nicht erkannte. Er zählte das Geld, war sehr zufrieden mit ihrer Tätigkeit und sagte: »Von jetzt an wirst du immer zu den Märkten fahren. Man sieht es: Die Männer kaufen lieber bei einem schönen Mädchen als bei einem runzeligen Alten.«
    »Die Männer sind dumm«, antwortete sie. »Neben mir hat man den Kohl billiger verkauft, und was tun sie? Sie kaufen meinen Kohl und zahlen mehr.«
    »Sag' ich es doch! Sag' ich es doch!« Huang rieb sich die Hände. Einmal würde seine List Erfolg haben.
    Aber irgendwie schien der Besuch des Marktes von Nanhua doch eine Wirkung auf Lida gehabt zu haben: So hatte sie bei einem Stoffhändler einen schönen Stoff für ein neues Kleid gekauft, blaugrundig, mit weißen Tupfen, wie ein Himmel, der mit Sternen bestickt war.
    »Wie schön!« rief Jinvan, die Mutter, aus. »Daraus mache ich dir ein Kleid, wie es noch niemand in Huili getragen hat. Mit Schlitzen an beiden Seiten. Verbirg deine Schönheit nicht, Tochter, sie geht so schnell vorbei. Arme Leute sind wir, aber deine Schönheit ist ein unbezahlbarer Wert. Wenn du dich bloß nicht immer nur mit dem Büffel, den Enten und anderem Getier beschäftigen würdest!«
    »Tiere sind die besseren Menschen«, erwiderte Lida, und Jinvan wunderte sich, woher ihre Tochter solche Weisheit nahm.
    So ging wieder ein Jahr vorüber, und Huang fand sich damit ab, nie einen Enkel auf seinen Knien hüpfen zu lassen. Aus Kunming kam wenig Kunde. Tifei hatte endlich einen eigenen Lastwagen kaufen können, arbeitete vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung und fand keine Zeit, sich eine Frau zu suchen und zu heiraten. Dafür war er bei den Huren der Stadt ein gerngesehener Gast, und wenn ihn Freunde fragten, warum er gerade zu denen ging, antwortete er listig: »Sie kosten ein paar Yuan, und ich habe keine Verpflichtungen. Das ist mir die Freiheit wert. Was soll ich mit einer Frau, die immer herummäkelt? Die neben mir im Bett liegt und schwitzt? Die sagt: ›Komm her, ich will …‹, auch wenn man noch so müde ist? So kann ich mir jede aussuchen, wenn mir danach ist. Nun gut, es sind Huren, aber sie erfüllen ihren Zweck ohne weitere Forderungen als ein paar Scheinchen. Der Gegenwert einer Fuhre – kann ich es besser haben?«
    »Ich werde nie ein Großvater sein«, sagte Huang traurig. »Wofür habe ich gearbeitet? Damit wir aussterben? Mein Leben hat eigentlich keinen Sinn mehr, wenn nicht die Kinder wären, die ich lehre, Menschen zu werden.«
    Man merkt den Lauf der Zeit vor allem an seinen Kindern. Lida wurde zwanzig, das Jahr 1987 stand im Zeichen des Hasen, was bedeutete, daß es ein Jahr voller Änderungen werden würde. Und tatsächlich begann das Jahr damit, daß die ›Einheit‹, wie man jetzt die Dörfer, die landwirtschaftlichen Kommunen, die Fabriken und überhaupt jede geschlossene Gemeinschaft von Menschen nannte, in Kunming bei der Gewerkschaft der Lehrer anfragte, ob man dem lieben, guten, hochangesehenen, sehr verehrten und überaus weisen Lehrer Huang Keli nicht einen jungen Lehrer zur Seite geben könne, der ihn etwas entlastete, denn die vergangenen Jahre hatten seinen Körper ausgezehrt. Oft war er müde, und als er sogar zweimal beim Unterricht auf seinem Stuhl einschlief, versammelten sich die Abgeordneten der ›Einheit‹ und beschlossen, rechtzeitig für einen guten Lehrernachwuchs in der Schule zu sorgen. Zwar war es unmöglich, für Huang einen Ersatz zu finden, denn einen Weisen wie Huang konnte man nicht ersetzen; aber man hoffte, daß etwas von seinem Geist in den neuen jungen Lehrer übergehen werde und so die ›Einheit‹ Huili auch in Zukunft eine bemerkenswerte Schule

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