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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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besitze.
    Und so erschien eines Tages, mit einem Omnibus aus Kunming kommend, der Lehrer Hou Xianglin im Dorf und stellte sich Huang vor. Er war ein gepflegter Mensch in einem modernen Stadtanzug, trug eine goldgefaßte Brille, war fünfundzwanzig Jahre alt, von sportlichem Körperbau und so höflich, sich vor Huang, Jinvan und Lida tief zu verneigen und zu sagen: »Ich weiß, ich bin ein unwürdiger Mensch und bitte, den Ort der Weisheit betreten zu dürfen, um zu lernen und die empfangenen Lehren weiterzugeben.«
    Und Huang antwortete: »Mein Haus empfängt dich mit Wohlwollen. Es ist ein bescheidenes Haus, wie du siehst. Du wirst vorerst in der Schule wohnen müssen, bis die Einheit dir ein neues Haus gebaut hat. Aber an unserem Tisch ist immer für dich Platz. Jinvan, meine Frau, ist eine gute Köchin. Sie wird auch deinen Gaumen verwöhnen.«
    Nach diesen offiziellen Worten reichte Huang ihm die Hand, und damit gehörte Hou Xianglin zur Familie. Huang dachte, daß der junge Lehrer vielleicht der Mann sein könnte, der Lida gefallen würde und der sie entdecken ließ, daß sie eine schöne Frau sei und Enkel gebären könne.
    »Wir werden eine schöne Zeit miteinander haben«, sagte Huang, als er Xianglin beim Essen beobachtet hatte und ihm nicht entgangen war, daß dessen Blick immer auf Lidas runden Busen zurückkehrte. »Wie sagt doch der Weise? In einem guten Wort ist für drei Winter Wärme; ein böses Wort verletzt wie sechs Monate Frost.«
    Xianglin antwortete sofort mit einer anderen Weisheit, was bewies, wie gebildet er war: »Hundert Männer können ein Haus bauen; um ein Heim zu schaffen, bedarf es einer Frau.«
    Dabei sah er Lida wieder an, und Lida stand auf und sagte: »Ich muß nach dem Büffel sehen, er hat den ganzen Tag gehustet.« Damit ging sie aus dem Haus.
    Eines Tages – es war wieder Sommer, und das Land trocknete aus, bis es rissig wurde – hielt ein völlig überladener Bus vor dem Büro des Sekretärs der ›Einheit‹ Huili, und ein alter Mann, auf einen Stock gestützt, stieg als einziger aus. Man warf ihm eine Art Rucksack hinterher, und dann stand er auf der Straße und schaute den Hügelweg hinauf zur Schule und zum Lehrerhaus.
    Als der alte Mann begann, den Hügel hinaufzusteigen, sah man, daß er das linke Bein nachzog, und als er den breitkrempigen Maisstrohhut der Hitze wegen in den Nacken schob, kam ein Gesicht zum Vorschein, dessen Wangen schlecht vernarbte Wunden aufwiesen. Der Mann sah dadurch älter aus, als er war, aber seine Kraft schien beschränkt zu sein, denn er blieb auf dem Weg den Hügel hinauf mehrmals stehen, atmete seufzend, stützte sich auf seinen Stock, der aus dem Stämmchen eines Rosenbaums geschnitzt war, warf den schlaffen Rucksack auf den Weg und pumpte sich Luft in die Lunge, so wie ein Schmetterling vor seinem Flug sich aufpumpt.
    Huang hatte gerade eine Unterrichtsstunde beendet und die Oberklasse dem jungen Kollegen übergeben, als der alte Mann den Schulplatz erreichte, sich gegen den Baum lehnte, an dem vor langen Jahren die Rotgardisten Huangs Sohn Tifei gefoltert hatten, und zum Lehrerhaus hinüberblickte. Dort saß Jinvan im Schatten eines aus Blättern geflochtenen Vordaches und putzte Kohl für das Mittagessen. Sie hackte den Kohl in kleine Stücke und warf sie dann in einen Plastikeimer mit Wasser.
    Sie blickte zu dem Fremden hinüber und wunderte sich, daß er nicht näher trat. Als jetzt Huang aus dem Schulhaus kam, drückte sich der alte Mann seinen Strohhut tief ins Gesicht.
    Huang, den Kopf zur Erde gesenkt und in Gedanken versunken, bemerkte ihn erst, als er drei Schritte von ihm entfernt war. Er blieb ruckartig stehen, kniff die Augen zusammen und wußte nicht, ob er einer Täuschung erlegen war oder nur eine Ähnlichkeit bestand. Der Fremde sprach kein Wort, stützte sich auf seinen Stock und sagte auch nichts, als Huang sich mit beiden Händen über das magere Gesicht wischte.
    »Nein«, sagte Huang endlich leise. »Nein! Kann das wahr sein? Ich glaube nicht.«
    »Glaub es«, antwortete der Fremde mit heiserer Stimme. »Es ist so.«
    »Bei Gott, was haben sie aus dir gemacht?« Huang duzte den anderen unwillkürlich.
    »Du siehst es.«
    »Chang! Kommissar Chang Lifu!«
    »Oh, das ist lange her. Habe ich nicht gesagt: Ich komme wieder?«
    »Ja, und wir alle haben gedacht: Wenn er wiederkommt, ist er einer der großen Genossen aus Beijing. Wie siehst du aus? Komm ins Haus, ruhe dich aus, nimm ein Bad, mein Bett ist wieder dein Bett

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