Der Jade-Pavillon
nichts Stärkeres gibt als die Liebe. Und sogar Freude ist in mir … Ich müßte mich schämen, aber ich kann es nicht.«
Es dauerte eine Zeit, bis Lida und Jian einander losließen, und dann war es wie vor ein paar Tagen: Gemeinsam schirrten sie den Büffel ab, trieben ihn vom Feld auf die Straße, und Jian kam zum Wagen zurück und sagte zu Huang, und seine Augen glänzten dabei: »Jetzt bin ich zu Hause.«
Und Huang antwortete: »Willkommen bei uns!«
Langsam fuhr Jian hinter dem vor ihm trottenden Büffel her ins Dorf, und die Leute, die sie sahen und Huang hinten in dem feinen Wagen sitzen sahen, grüßten ihn, winkten und begannen dann zu tuscheln.
Oben vor der Schule bremste Jian, und sie stiegen aus und gingen zum Lehrerhaus hinüber. Auf der Bank neben der Tür saß Jinvan und schälte Süßkartoffeln. Sie ließ das Messer fallen, als sie den Wagen, Jian und ihren Mann erblickte, und Chang kam aus dem Anbau, hustete heftig vor Erregung und lief dann Jian entgegen.
»Du hast dein Wort gehalten!« rief er. »Du hast mich nicht vergessen! Hast du die Medizin mitgebracht? Wird sie mir noch helfen können?«
»Sie wird von Nutzen sein«, entgegnete Jian ausweichend. »Ohne Hoffnung können wir nicht leben.«
Jinvan umarmte Jian, und sie weinte vor Glück, strich Jian über das Haar und konnte kein Wort sprechen.
»Kommen Sie ins Haus«, sagte Huang zu Jian und betrat als erster den großen Raum. Und Jinvan rief er zu: »Frau, es war eine anstrengende Fahrt. Der Hunger plagt uns!«
Später saßen sie dann alle um den Tisch und aßen. Lida trug die Speisen auf, aber Huang ärgerte sich, daß Jian die leeren Schüsseln wegräumte und die Suppe einschenkte. Das war Frauensache und eines Mannes nicht würdig. Aber vielleicht ist das die neue Zeit, dachte er. Das wäre nicht gut, denn der Mann ist der Herrscher im Haus, das gehört zu seiner Ehre. Nicht alle neuen Sitten sind ein Fortschritt.
Nach dem Essen bot Huang, auch im Namen seiner Frau, Jian das Du an. Dieser war darüber sehr glücklich.
Es war selbstverständlich, daß Jian wieder im Bett von Huang schlief, schon der Kontrolle wegen, zu der sich Huang verpflichtet fühlte. Ein heimliches Wegschleichen Jians zu Lida war so unmöglich, und damit sie erst gar nicht auf hinterhältige Ideen kamen, schob er Lidas Liege in die Hinterkammer neben Jinvans Bett, was Sicherheit und ungestörten Schlaf garantierte.
Aber da war noch der Büffel, und es gab keinen Abend, an dem Lida nicht das Tier säuberte und das harthaarige Fell bürstete, als sei er ein wertvolles Pferd, das immer gestriegelt werden müsse.
Die Arbeit im Stall gab Jian die Möglichkeit, mit Lida allein zu sein. Er half ihr, und wenn der Büffel sauber war, saßen sie nebeneinander auf der umgestürzten Kiste, hielten sich bei den Händen und küßten sich, und Chang, der sie einmal durch eine Ritze in der Holzwand beobachtete, lief zu Huang und Jinvan und sagte: »Ist das eine reine Liebe! Er rührt sie nicht an, nicht einmal ihre Brust.«
»Leg dich in deinen Sarg und schweig!« antwortete Huang grob. »Niemand will deine schmutzigen Gedanken hören.«
Jinvan fragte, als Chang mit einem Knurren gegangen war: »Was soll nun werden, Mann?«
»In vier Jahren will Jian unsere Tochter heiraten.«
»In vier Jahren? Wer weiß, was sich in vier Jahren alles ändern kann!«
»Ich weiß es nicht. Würden die Menschen ihre Zukunft wissen, gäbe es nicht genug Stricke, an denen sie sich aufhängen könnten. Lassen wir die Zeit sorgen!«
Für alle verging sie zu schnell, denn nach sechzehn Tagen voller Glück sagte Jian beim Abendessen, was Lida im stillen immer mit Furcht erwartet hatte: »Ich muß nach Kunming zurück. Die Universität beginnt wieder. Ich habe noch viel zu lernen, ehe ich ein Arzt bin.«
»Und wann sehe ich dich wieder?« fragte Lida.
Huang bewunderte ihre Tapferkeit: Sie stellte die Frage ohne ein Zittern in der Stimme und ohne eine Träne in den Augen.
»Wenn ich fliegen könnte, wäre ich jeden Abend hier.«
»Aber du bist kein Vogel«, sagte Huang. »Vierhundert Kilometer hin und vierhundert Kilometer zurück, das kann bei unseren Straßen zwei Tage dauern. Und das ist nur die Fahrt. Wo willst du die Tage hernehmen?«
»Ich fahre diese achthundert Kilometer, um nur einen Abend bei euch zu sein. Was sind Entfernungen, wenn ich Lida nur eine Stunde sehen kann!«
Der Tag der Abfahrt war kein trauriger Tag wie damals, als Lida sich vor ihrem eigenen Gefühl versteckte
Weitere Kostenlose Bücher