Der Jade-Pavillon
wenigen Augenblicken ein. Zhang wartete bei ihm, bis sein Atem tief und ruhig ging, dann trat er leise in die Nebenkammer und sah nach Huang. Dieser lag auf dem Rücken und ließ beim Ausatmen ein leises Pfeifen hören.
Zhang kehrte in das Atelier zurück, setzte sich vor ein leeres Blatt aus Reispapier, nahm einen dicken Pinsel, tauchte ihn in das Tuschfäßchen und malte einen Kreis. Dann zerstörte er den Kreis durch zwei sich kreuzende Striche und fühlte sich danach wohler.
Es gab keinen Kreis des Denkens mehr, es war ein Weg entstanden, und Jian hatte diesen Weg gefunden.
Zuerst erwachte Huang und fand Zhang schon am Herd, wo heißes Wasser dampfte und in einem Deckeltopf die runden Dampfbrote rumorten. In einem anderen Topf mit heißem Öl lagen die Teigstangen und brutzelten, und die Reissuppe wartete darauf, aufgekocht zu werden. Ein Tag muß mit einem warmen Frühstück beginnen, kalt darf nur die Beigabe von gesalzenem Gemüse und kleinen Stücken Würzfleisch sein. Die Deckeltassen mit den grünen Teeblättern und die große Thermoskanne mit dem heißen Wasser standen schon auf dem Tisch. Aus einem Transistorradio erklang leise Musik, unterbrochen von Nachrichten und Reklamesprüchen.
»Es möge ein Tag voller Freude werden«, sagte Huang höflich und verbeugte sich.
Und Zhang antwortete: »Er hat schon mit Freude begonnen, wenn man einen lieben Gast hat. Wollen Sie ein Duschbad nehmen, Herr Huang?«
»Wenn ich Ihr Bad beschmutzen darf, Herr Zhang.«
»Im Anbau ist es. Auch Handtücher sind vorhanden.«
Huang verließ das Haus, betrat den Anbau, entkleidete sich und duschte sich. Das kalte Wasser erfrischte ihn sehr, ließ sein Blut schneller fließen und die Gedanken erwachen. Noch nackt trat er in die Morgensonne hinaus, atmete den Geruch der Blumen und Gräser ein und sah zu dem Schilf hinüber, aus dem überall Rauchfäden in den wolkenlosen Himmel stiegen. Die Fischer kochten in ihren Booten ihr Frühstück.
Unterdessen war Jian aus einem unruhigen Schlaf erwacht, den er trotz seiner Erschöpfung gehabt hatte. Die innere Spannung war zu groß gewesen. Er kam in den Wohnraum, wo Zhang gerade die Dampfbrötchen aus dem Kessel fischte und auf einen großen Keramikteller legte.
»Wie geht es deinem Besuch, Onkel Zhang?« fragte er mit einem anzüglichen Grinsen, nachdem sie die morgendlichen Höflichkeiten gewechselt hatten. »Schläft er noch?«
»Er steht unter der Dusche.«
»Und du schrubbst ihm nicht den Rücken und stehst am Herd? Sollte bei Mann und Frau es nicht umgekehrt sein?«
Zhang gab keine Antwort. Nur Minuten noch, dachte er und rührte in der Reissuppe, die nun auf dem Feuer stand. Huang ist ein gebildeter Mann, er wird die Beherrschung nicht verlieren. »Du kannst nach dem Frühstück duschen«, sagte Zhang zu Jian.
»Ich werde im See schwimmen, das ist noch besser.«
»Wir werden sehen, ob es dazu kommt.«
Jian sah seinen Onkel verwundert an, denn er verstand den Sinn dieser Worte nicht. Aber nur eine Minute darauf begriff er, als die Tür aufging und der morgenfrische Huang eintrat. In der Tür blieb er stehen, als halte ihn von hinten etwas fest, und alle Fröhlichkeit, mit der er eingetreten war, wich dem Gefühl, durch seine Adern rinne heißes Blei.
Auch Jian erstarrte, aber er war der erste, der seine Stimme wiederfand. »Herr Huang, Sie sind der Gast? Ich begrüße Sie voller Hochachtung.«
Und Huang antwortete: »Was meine Augen sehen, verdunkelt den Tag. Darf ich von Ihnen Abschied nehmen, Herr Zhang? Ihre Gastfreundschaft wird nicht vergessen werden.«
»Ohne Frühstück ist ein Tag wie eine taube Nuß. Setzen Sie sich an den Tisch.«
Mit Widerwillen hockte sich Huang auf einen Schemel, aß nur ein Dampfbrötchen und eine halbe Schale Reissuppe und schlürfte den Tee. Er sah Jian nicht an und redete sich ein, dieser sei gar nicht vorhanden.
So saßen sie sich stumm gegenüber, bis Zhang sagte: »Sie sehen, Herr Huang, Jian hat sein Wort gehalten. Das ist ein ehrbares Verhalten, das man loben sollte. Er ist jetzt schon ein Arzt, der nur an seine Kranken denkt.«
Und Jian erwiderte und sammelte allen Mut in sich: »Ich bin nicht wegen Chang Lifu gekommen, sondern um Lida zu sehen. Herr Huang, ich liebe Ihre Tochter.«
»Das ist ein Unglück«, sagte Huang laut. »Sie werden mein Haus nicht mehr betreten.«
»Dann schlafe ich in meinem Wagen am Rand der Felder.«
»Ich werde meine Tochter nicht mehr auf die Felder lassen.«
»Soll die Erde verdorren, die
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