Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Zweifel, daß alles so kommen werde. Auch als Mao ihn besucht hatte und sie ihre Gedichte austauschten, hatte Zhang keine Angst um seinen Kopf, als er zu Mao sagte, Kommunismus solle man nicht die Liquidierung Andersdenkender nennen, denn das Verschwinden aller Klassen- und Standesunterschiede solle durch die gemeinsame sozialistische Arbeit geschehen und nicht durch die Herrschaft von Menschen über Menschen. Mao hatte ihm ruhig und voll Aufmerksamkeit zugehört und dann gesagt: »Zhang Shufang, was deine Gedichte aussagen, bist du wirklich selbst: ein Phantast. Laß einen Menschen laufen – er läuft fast immer in die falsche Richtung, wenn keiner ihn lenkt. Und ich will China anleiten, den richtigen Weg zu gehen.« Dieses Gespräch hatte Zhang nie vergessen, und als er die Ruinen sah, die Maos Kulturrevolution im ganzen Land hinterlassen hatte, diese schreckliche Vernichtung aller kulturellen Werte, da wußte Zhang, daß es ein falscher Weg gewesen war und daß Maos Nachfolger Deng Xiaoping den anderen, richtigen Pfad in Chinas Zukunft entdeckt hatte, als er 1979 seine Öffnungspolitik gegenüber dem verhaßten Westen einleitete. Und ganz China staunte über den Kurswechsel in eine bisher geschmähte Welt. Onkel Zhang hatte es längst vorausgesehen.
    Über all das und noch vieles mehr dachte Jian nach, als er nach Kunming zurückfuhr. Sah Onkel Zhang auch heute wieder die Entwicklung voraus, auch wenn sie nur die Familien Tong und Huang betraf, dann würde es eine Gegnerschaft auf Leben und Tod geben, und das war kein zu großes Wort, denn Jian war bereit, für seine Liebe zu Lida alles zu opfern, was bisher seinem Leben einen Wert gegeben hatte. Lida war seine Sonne und er die Erde, die aus der Wärme das Leben blühen ließ.
    Es war eine mühsame Fahrt auf der nächtlichen Straße, dreimal wurde er von Polizeikontrollen angehalten, die seinen Wagen nach Rauschgift untersuchten und ihn verhörten, woher er kam und warum er in der Nacht fuhr. Als sie erfuhren, daß er Student der Medizin in Kunming sei, erzählten ihm vier Polizisten von ihren kleinen Krankheiten, baten um einen Rat und klagten, der Polizeiarzt sei ein grober Kerl, der bei allen Gebrechen zuerst und grundsätzlich ein starkes Abführmittel verteile. Dazu sage er immer: »Die meisten Krankheiten kann man wegscheißen! Im Darm sitzt der Teufel. Ein sauberer Darm ist wie ein früher Frühlingsmorgen.« Erstaunlicherweise erzielte der Polizeiarzt mit dieser Methode sogar Erfolge, und als Jian in lautes Lachen ausbrach, war keiner der Polizisten beleidigt, sondern einer sagte sogar: »Du und dein Vater, ihr müßt einflußreiche Personen sein. Wenn man sich solch ein Auto leisten kann, ist man ein Mensch von hohem Ansehen oder ein Betrüger.«
    Erst gegen Morgen, als der Himmel über Kunming schon fahlblau wurde, erreichte Jian sein Elternhaus. Hier schlief noch alles. Er ging leise auf sein Zimmer, zog sich aus, stellte sich unter die Dusche und ließ das kalte Wasser über seinen müden Körper sprühen. Er spürte, wie die Erfrischung seine Erschöpfung besiegte, und als er sich mit dem Handtuch abrieb, belebte sich sein Blut, und er fühlte sich so stark, als wenn er lange geruht hätte.
    Eine halbe Stunde später stand er dann im Eßzimmer seinem Vater gegenüber. Sie waren allein, sahen sich wortlos an, und jeder wartete, daß der andere mit dem Sprechen beginne.
    Tong Shijun setzte sich an den Tisch, die Dampfbrötchen waren bereits gebracht worden, in einer tiefen Porzellanschüssel duftete eine Nudelsuppe. »Ich hatte die Befürchtung«, begann er das Gespräch, »daß du nicht rechtzeitig zum Semesterbeginn zurück bist.«
    »Ich habe noch nie meine Pflicht verletzt«, antwortete Jian steif.
    »Hattest du einen guten Urlaub?«
    »Ja.«
    »Bist du viel im See geschwommen?«
    »Ja.«
    Wie glatt mir die Lüge aus dem Mund kommt, dachte Jian. Er wunderte sich über sich selbst, daß er seinem Vater in die Augen sehen konnte, ohne daß ein unsicherer Blick ihn verriet.
    Tong nahm ein Dampfbrötchen vom Teller und zerteilte es. »Das freut mich«, sagte er beiläufig. »Aber du warst nicht immer in Dali bei Onkel Zhang.«
    Jian hielt einen Augenblick den Atem an, dann versteifte sich seine Haltung, und er war zum Kampf bereit. »Wie kommst du zu dieser Feststellung?« fragte er.
    »Ein Bekannter von mir ist zur gleichen Zeit nach Dali gereist und hat dabei auch Zhang einen Besuch abgestattet. Du warst nicht da.«
    »Wenn ich schwimme oder fische,

Weitere Kostenlose Bücher