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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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betest.«
    »Gehen wir hinüber zum Mondpavillon?« fragte Lida leise.
    Er nickte, und sie gingen am Ufer entlang, gingen über den Marmorbogen der Brücke, und ein großer Fischschwarm begleitete sie, als wolle er sie zum Pavillon führen. Und dann standen sie unter den rotgestrichenen Holzsäulen, die das erste der drei geschwungenen Dächer trugen. Sie waren in diesem Augenblick ganz allein am See, und Jian zog Lida an sich und küßte sie, und sie umklammerte seine Schultern und drückte sich an ihn, als wolle sie sich hier im Pavillon mit ihm vereinigen und als sollten der Jadedrachen-Berg und der Tempel der fünf Phönixe die Zeugen ihrer Hochzeit sein.
    Sie lösten sich erst voneinander, als sie vom Ufer Stimmen hörten. Eine Gruppe Touristen aus Beijing hatte die Parkanlage betreten und fotografierte schwatzend nach allen Seiten.
    »Kommen wir noch einmal zu diesem Pavillon?« fragte Lida, als sie über die Marmorbrücke zum Tempel der fünf Phönixe gingen.
    »Wenn wir Zeit haben, können wir immer wieder nach Lijiang fahren.«
    »Ich möchte immer hier sein, immer. Als du mich im Pavillon geküßt hast, habe ich innerlich einen Schwur getan.«
    »Was hast du geschworen?«
    Sie schüttelte den Kopf, beugte sich über den Brückenrand und sah den Fischschwärmen zu, wie sie träge, aber doch mit geschmeidigen Bewegungen durch das klare Wasser glitten. Am gegenüberliegenden Ufer löste sich schnatternd eine Entenherde, die von den fotografierenden Beijing-Menschen aufgeschreckt worden war.
    »Es wird keiner erfahren, auch du nicht«, sagte sie. »Es ist ein Schwur, der nur in meiner Seele wohnen wird. Es ist eine Zwiesprache mit meinem Gott.«
    Am Nachmittag erreichten sie Dali und den Erhai-See, das alte Reich der Bais, die hier ihr erstes Königreich errichteten und es Nanzhao nannten. Es dauerte von 738 bis 902 nach Christi Geburt, bis es von dem mächtigen Reich Dali abgelöst wurde, das vom 10. bis zum 13. Jahrhundert Südwestchina beherrschte und erst zusammenbrach, als der sagenumwobene Mongolenkaiser Khublai Khan auch dieses Gebiet Chinas eroberte.
    Schon von weitem erblickte Lida die Wahrzeichen von Dali, die drei Pagoden, deren schlanke Türme sich am klaren Morgen im Erhai-See spiegelten, so, als gäbe es sechs Pagoden, drei auf dem Land und drei im blausilbern schimmernden Wasser. Sie waren weiß getüncht und leuchteten in der Sonne.
    Jian hielt unten auf dem Parkplatz, und sofort wurden sie von Händlern und alten Bai-Frauen umringt, die ihnen bestickte Stoffe, Schals und Kopftücher anboten oder Pagoden, Schildkröten und kleine Löwen aus hellgrauem, fein geädertem Marmor. Eine breite Treppe führte zu den auf Terrassen liegenden Heiligtümern hinauf. Auf jeder Terrasse waren Hunderte von Ständen aufgebaut, alle voll der schönsten Marmorarbeiten von der Schildkröte, dem Symbol des langen Lebens, bis zur pagodenähnlichen Gartenlampe, von Dosen bis zu ganzen Tempelanlagen, von Heiligenfiguren bis zu feuerspeienden Drachen oder zarten, flügelspannenden Kranichen.
    Lida blieb auf der Treppe stehen und sah zu den drei weißen Pagoden hinauf. Sie zeigte auf einen Stand, der nicht nur kunstvolle Marmorarbeiten anbot, sondern auch wunderbare Schnitzereien aus Jade. In der Mitte des Tisches stand, aus grüner und hellbrauner Jade geschnitzt, ein Pavillon mit einem geschwungenen Dach, das von zierlichen Säulen gestützt wurde. Filigranhaft waren der First und die Dachtraufen gestaltet, in die Wände waren alte Spruchweisheiten geritzt, und den Eingang zum Inneren bewachten zwei Löwen, die die bösen Geister abschrecken sollten.
    »Wie schön!« sagte Lida. »O wie schön!« Sie ging um den Tisch herum, bewunderte das kleine Kunstwerk von allen Seiten und ging sogar in die Knie, um die Löwen genauer zu betrachten und die Inschriften zu lesen. »Er ähnelt unserem Mondpavillon in Lijiang. Sieh, was hier steht: ›Ein einfacher Zweig ist dem Vogel lieber als ein goldener Käfig.‹« Sie blickte Jian mit ihren fast schwarzen Augen voller Willenskraft an. »So ist es. Auch ich möchte nicht im goldenen Käfig der Tongs leben.«
    Jian hörte es, aber er antwortete nicht. Er wandte sich an den Händler und zeigte auf den Jade-Pavillon. »Wieviel willst du dafür haben?« fragte er.
    »Hundertzwanzig Yuan, Freund. Er ist es wert.«
    »Genosse, ich bin kein Amerikaner oder Deutscher.« Jian griff in die Tasche und holte ein Bündel Yuan-Noten hervor. »Überlege dir einen vernünftigen Preis.«
    »An

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