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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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in sein Herz geschlossen, und auch du wirst in seinem Herzen einen Platz finden.«
    »Er ist ein Freund von dir?«
    »Auch ein Freund, aber er ist auch mein Onkel.«
    Lida drückte den Jade-Pavillon wieder an ihre Brust, und ihr Gesicht wurde ernst und verschlossen. »Nein«, sagte sie bestimmt. »Nein. Wir gehen nicht dorthin. Wir fahren nach Lijiang zurück.«
    »Du kennst Onkel Zhang doch gar nicht.«
    »Er gehört zu den Tongs.«
    »Nein, er ist der Bruder des Vaters meiner Mutter.«
    »Das ist das Gleiche. Er ist der reiche Han, ich bin die arme Miao.«
    »Zhang steht auf unserer Seite. Wir hatten lange Gespräche über dich.«
    »Er ist doch der, der dir geraten hat, nichts deinem Vater zu erzählen?«
    »Ja. Es war ein guter Rat. Er ist ein weiser Mann.«
    »Er will mich verstecken, weil er mich nicht für würdig hält, einen Tong zu lieben.«
    »Nein! Er will verhindern, daß man mich mit Gewalt von dir trennt. Die Macht meines Vaters sollen wir nicht spüren, bis seine Macht alle Kraft verloren hat.«
    »In vier Jahren.« Lida hob den Jade-Pavillon in Augenhöhe und starrte ihn an. »Vier Jahre bleibt mir nur unser Pavillon, wenn ich mit dir sprechen will. Vier Jahre wird er neben mir schlafen, als seist du es. Und wenn meine Lippen seine drei Dächer berühren, wird es sein, als küsse ich deine Stirn, deine Augen und deinen Mund. Jetzt werden diese vier Jahre leichter sein für mich. Ich habe dich immer bei mir. Wozu brauchen wir noch den Rat von Onkel Zhang?«
    »Er könnte einmal unsere letzte Zuflucht werden. Ich möchte, daß er dich kennenlernt. Er wird mich dann besser verstehen.«
    »Jetzt hast du die Wahrheit gesagt!« Sie drückte den Jade-Pavillon wieder an sich. »Er ist also auch gegen mich? Nein, ich will ihn nicht sehen.«
    Sie war verwundert über sich selbst, daß sie Jian so hart widersprechen konnte und nichts von der Ehrfurcht fühlte, die eine Frau ihrem Mann entgegenzubringen hatte. Sie spürte eine Stärke in sich, als sei die Jadefigur kein weicher Stein, sondern ein blitzendes Schwert, mit dem sie jeden Feind besiegen konnte.
    Jian sah sie mit größter Verblüffung an, aber gleichzeitig bewunderte er ihre Standhaftigkeit. »Onkel Zhang ist ein großer Dichter und Maler«, sagte er. »Und ein Dichter erlebt die Welt mit seiner Seele, ein Maler sieht mit anderen Augen als wir. Er wird dich umarmen, und du bist damit in seine Welt aufgenommen. Komm, laß uns zu ihm fahren.«
    Sie nickte, sah wieder ihren Jade-Pavillon an und entgegnete: »Gut. Laß uns fahren, ganz wie es dein Wille ist, mein Mann. Und was auch geschehen wird«, sie legte den Jade-Pavillon in ihren linken Arm, als sei er ein Kind, »er wird mich beschützen. In ihm wohnt unsere Liebe bis zum Tod.«
    Nachdem Tong Shijun mit dem frühen Bus von Dali abgefahren war, hatte Zhang Shufang vor seinem Haus am Ufer des Erhai-Sees gesessen und zwei Gedichte geschrieben. Es waren Hymnen an die Schönheit der Erde, von einer Zartheit der Worte, als könne man das Ewige streicheln. Über den See blickend, las er sich seine neuen Gedichte laut vor und lauschte auf den Zusammenklang der Worte, auf die Harmonie des Rhythmus und die Sprache der Seele.
    Jetzt war es Abend, und Zhang ging daran, Nudeln und Tofu zu kochen. Der Reis garte bereits in einem anderen Topf. Es war ein einfaches Mahl, aber ein alter Mann braucht nicht mehr viel zum Leben, und wenn er eine Schale Reis mit Sojasoße, einen gebratenen Fisch, einen Klumpen Tofu und ein wenig Kohl im Topf hat, freut er sich des Lebens und dankt den Göttern, daß sie ihm so gnädig gesinnt sind.
    Zhang blickte gerade in das kochende Wasser, als er draußen auf dem schmalen Weg das Bremsen eines Autos hörte. Er wischte sich die Hände an einem Tuch ab und ging zur Tür. Wenn ein Auto vor seiner Tür hielt, konnte es nur zweierlei sein: Entweder war es der Funktionär der Kulturabteilung von Dali, oder es war Jian; aber letzteres wäre erstaunlich gewesen, denn Jian wollte ja drei Tage bei seiner Lida in Huili bleiben. Andere Besucher fanden nicht den Weg zu Zhang, denn auch in Dali besaßen nur die Auserwählten der Partei und der Chefarzt des Krankenhauses ein Auto. Der Arzt kam freilich nicht zu Zhang, denn dieser hatte ihn noch nie gebraucht.
    Zhang öffnete die Tür und erblickte Jians Wagen und Jian selbst, der ihm entstieg. Zum ersten Mal hatte er eine falsche Ahnung, denn er dachte, es habe mit dem Vater von Lida Streit gegeben, und jetzt suche Jian bei seinem Onkel

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