Der Jade-Pavillon
diesem Pavillon hat der Künstler über eine Woche geschnitzt. Er war nicht billig, und ich habe eine Frau und sieben Kinder, die vor Hunger weinen.«
»Deine Schuld, Genosse. Sieben Kinder – du darfst nur zwei haben! Also bezahle ich dich für zwei Kinder. Laß uns rechnen was dabei herauskommt.«
»Mein lieber, großherziger Freund!« Der Händler rang die Hände, verdrehte die Augen, und seine Stimme bekam einen klagenden Klang. »Auf dem Land sind die Kontrollen nicht so streng. Und meine sieben Kinder haben drei verschiedene Mütter.«
»Das verschärft das Ganze nur noch.« Jian zählte aus dem Geldbeutel einige Scheine ab. Er hielt sie dem Händler hin. »Siebzig Yuan. Nur weil du es bist, Genosse.«
»Siebzig Yuan – ich werde Unkraut essen müssen! Ich werde Stroh auskochen! Willst du meine Familie sterben lassen?«
»Fünfundsiebzig Yuan. Das ist mein letztes Wort. Ich gehe sofort.«
»Du schneidest mir die Kehle durch, Freund.« Der Händler blickte Lida an, die noch immer vor dem Jade-Pavillon kauerte. »Ist das deine Frau?«
»Ja.«
»Könntest du mitansehen, wie sie sich vor Hunger krümmt? Eine so schöne Frau, und den Pavillon möchte sie haben, und du feilschst um den Preis wie ein Mongole um ein Schaf.«
»Fünfundsiebzig Yuan.« Jian legte die Scheine auf den Tisch, und wie sie so dalagen, strahlten sie eine magische Anziehungskraft aus. Der Händler seufzte, griff zu und schob das Geld in seine Hosentasche. Das Grinsen in seinen Mundwinkeln deutete Jian so, daß der Gauner dennoch ein gutes Geschäft gemacht hatte.
»Nimm den Pavillon, nimm ihn. Und er bringe euch Glück. Ein Mönch hat ihn gesegnet«, sagte der Händler. »Ein Zauber ist in ihm, den niemand bezahlen kann. Aber nimm ihn nur; du hast eine schöne Frau, und in ihren Händen wird der Pavillon wirklich zu einem Heiligtum. Er wird euer Leben begleiten.« Und dann, mit einem neuerlichen tiefen Seufzer: »Und das alles für fünfundsiebzig Yuan …«
Jian beugte sich vor, nahm den Jade-Pavillon mit beiden Händen vom Tisch, und Lida richtete sich erstaunt auf. Sie hatte von der Verhandlung nichts gehört, so hatte sie die Schönheit des kleinen Kunstwerks gefesselt. »Laß uns zu den Pagoden hinaufgehen«, sagte sie.
Jian lächelte und hielt ihr den Pavillon hin. »Er gehört dir, meine Sonne.«
Sie war wie erstarrt, blickte auf den Jade-Pavillon in Jians Händen, und es war ihr, als wolle ihr Herz zu schlagen aufhören.
»Dieser Pavillon soll immer bei dir sein«, sagte er und kam um den Tisch herum. »So bin ich nie für dich fort, auch wenn ich wieder in Kunming bin. Wenn du den Pavillon ansiehst, kannst du mit mir sprechen – ich werde es hören.«
»Er ist verzaubert!« mischte sich der Händler ein, und ein breites Grinsen überzog sein Gesicht. »Ein Mönch hat ihn gesegnet – und ich gebe ihn für lumpige fünfundsiebzig Yuan her! Man sollte mich auspeitschen, so dumm bin ich. Aber du bist so schön, daß es mein Herz erfreut, daß du ihn bekommst. Möge er dir Glück bringen!«
»Ich … ich soll ihn haben?« sagte Lida mit ganz leiser Stimme. Sie streckte die Hände aus, nahm den Jade-Pavillon und drückte ihn gegen ihre Brust. Und plötzlich spürte sie, wie eine fremde, mächtige Kraft durch ihren Körper strömte, wie ein Mut in ihr aufflammte, den sie vorher nicht gekannt hatte, und ihr Atem flog wie nach einem langen, schnellen Lauf, und sie sah Jian mit strahlenden Augen an, als brenne in ihr wirklich ein Feuer. »Mein Jade-Pavillon! Er wird das Heiligtum meines Lebens und der Tempel meiner Seele sein. Jian, ich fühle mich so stark!«
Von dieser Minute an ließ sie den Jade-Pavillon nicht mehr aus den Händen. Sie setzte ihn im Auto auf ihren Schoß, und wo sie an diesem Tag auch noch waren, der Jade-Pavillon war immer dabei, und sie trug ihn im Arm, als sei er ein Kind, das sie auf die Reise mitgenommen hatte.
Als die Abenddämmerung über den See zog und der Himmel sich in goldgelbe Streifen auflöste, sagte sie: »Jian, wir müssen noch nach Lijiang zurück.«
»Nein«, erwiderte er. »Wir bleiben in Dali.«
»Aber du mußt das Zimmer auch bezahlen, wenn wir nicht dort schlafen. Man wirft kein Geld in den Wind.«
»Die Nacht in Dali ist es wert.« Er zeigte zu den Schilfufern hinüber, wohin jetzt die Fischerboote trieben. »Dort drüben, Lida, ist ein Haus, in dem wir schlafen werden.«
»Ein Gästehaus direkt am See?«
»Nein. Dort wohnt ein Mann, dem höchste Ehre gebührt. Er hat mich
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