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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verschwitzt und mit den Gerüchen behaftet, die von den anderen Reisenden ausgegangen waren, kehrte Tong Shijun nach Kunming zurück. Meizhu, seine Frau, richtete sofort ein Bad für ihn her und wartete darauf, daß er etwas von seiner Reise zu Zhang erzählte. Aber er schwieg, legte sich in die Wanne, goß einen stark duftenden Kräutersaft ins Wasser und entspannte sich. Das Bad verjagte seine Müdigkeit. Er schlüpfte in einen Morgenrock aus schwerer, goldbestickter Seide, ordnete sein Haar und betrat das große Wohnzimmer, wo auf einem Tisch mit eingelegtem Elfenbeinschmuck bereits sein Tee auf ihn wartete. Meizhu saß in einem Sessel und sah ihren Mann erwartungsvoll an.
    »Unser Sohn ist ein guter Sohn«, sagte Tong und schlürfte den dampfenden grünen Tee. »Ich habe meine Ruhe wiedergefunden.«
    »Hast du wirklich an ihm gezweifelt?«
    »Ja. Wenn jemand seine Reden hört, würde er ihn als einen Aufsässigen ansehen. Aber es sind nur unüberlegte Reden, weiter nichts. Er hat keinen Umgang mit den fanatischen Umstürzlern. Er war wirklich nur bei Zhang und am Erhai-See, ist geschwommen und hat mit den Fischern die Netze eingeholt.«
    »Ich wußte es.« Meizhu atmete auf, einerseits, weil alle Sorgen unbegründet waren, andererseits, weil Jian nicht seinem Vater begegnet war. »Unser Sohn lügt nicht.«
    »Es kam mir nicht auf die Lüge an, sondern auf das Verschweigen.« Tong schlürfte wieder einen Schluck Tee. Er lehnte sich zurück und hörte, wie nebenan im Eßzimmer der Tisch gedeckt wurde. »Ihr habt noch nicht gegessen?«
    »Ich habe auf dich gewartet, schon gestern. Du bist einen Tag später zurückgekommen.«
    »Du kennst doch deinen Onkel. Wenn er Besuch bekommt, und das ist selten, dann fallen die Jahre von ihm ab, und er ißt und trinkt, als habe man einen Bettler an einen Festtisch gesetzt.« Tong lächelte schwach. »Ich bin einfach ins Bett gefallen und habe am Morgen den Bus nicht mehr bekommen. Aber ich habe dich doch aus Dali angerufen.«
    »Du hast am Telefon nur gesagt: ›Ich komme später.‹ Da haben wir für die Nacht den Tisch gedeckt, und ich habe auf dich gewartet.«
    »Dann habe ich die Worte falsch gewählt. Entschuldige, Meizhu. Mein Kopf war den ganzen nächsten Vormittag noch nicht klar.« Er blickte auf seine Uhr. »Wo ist Jian? Auf seinem Zimmer? Ich will zu ihm gehen und ihm sagen, daß ich stolz auf ihn bin.«
    »Jian ist nicht da«, sagte Meizhu, und sie hatte ihre Stimme erstaunlich in der Gewalt.
    »Nicht da? Hat er schon gegessen? Wo ist er hingegangen?«
    »Ich weiß es nicht. Man fragt einen erwachsenen Sohn nicht, wohin er geht.«
    »Man fragt seinen Sohn immer, was er im Sinn hat. Er bleibt ein Sohn, auch wenn er selbst schon Söhne hat. Ist er in ein Theater gegangen?«
    »Nein.«
    Tong sah seine Frau fordernd an. Die Unsicherheit in ihrer Stimme hatte er herausgehört, und plötzlich wußte er, daß Meizhu ihm etwas verschwieg. Wer aber etwas verschweigt, hat etwas zu verbergen, und da es um seinen Sohn ging, hatte er das Recht, die Wahrheit zu erfahren. »Wo ist Jian?« fragte er laut und streng. »Im Haus geht etwas vor, was man mit Schweigen zudecken will. Noch einmal: Wo ist er?«
    »Ich weiß es nicht, Shijun.« Meizhu legte wie bittend beide Hände aneinander. »Er ist mit dem Auto weggefahren und noch nicht zurückgekommen.«
    »Wann ist er gefahren?«
    »An dem Tag, an dem auch du gefahren bist, nur Stunden später, um die Mittagszeit. Er kam von der Universität, zog sich schnell um und stieg in den Wagen. Das Ziel seiner Fahrt kenne ich wirklich nicht, ich hatte nur eine Ahnung.«
    »Und an was hast du gedacht?«
    »Er könnte auch nach Dali gefahren sein.«
    »Nein, dort ist er nicht angekommen.« Tong atmete tief. »Wo ist mein Sohn Jian?« Er sah Meizhu wieder mit einem fordernden Blick an, in dem jetzt auch noch Mißtrauen lag. »Was läßt dich glauben, er sei nach Dali gefahren?« fragte er. »Diese weite Strecke, vierhundert Kilometer, fährt niemand ohne Grund und versäumt darüber seine Vorlesungen in der Universität. Meizhu, was weißt du?«
    »Ich weiß nichts, Shijun. Ich sehe nur, daß Jian sich verändert hat. Er spricht mit uns noch weniger als vorher, er vergräbt sich in seinem Zimmer und hinter seinen Büchern. Ich dringe nicht mehr bis zu seinem Herzen vor. Er kapselt sich ein und ist wie eine Schnecke, die in ihr Haus gekrochen ist.«
    »So ist es.« Tong nickte langsam, als sei sein Kopf plötzlich wie mit Blei gefüllt. »Was ist

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