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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kannst deinem Leben noch eine Form geben. Du und Jian, ihr werdet die Zukunft erobern.«
    Er ging aus dem Haus, und Lida drehte sich zu Jian herum und hielt mit dem Zerhacken des Huhns inne. »Er kann weise Sprüche dichten«, sagte sie, »aber er hat noch nie Reispflanzen in das Wasser gesteckt und zehn Stunden den Rücken krumm gemacht.« Bitterkeit lag in ihrer Stimme.
    »Onkel Zhang hat dich bereits in sein Herz geschlossen«, erwiderte Jian. »Er wird uns helfen.«
    Zhang kam mit drei Flaschen Bier im Arm zurück, und während in den Eisentöpfen das Hühner- und Schweinefleisch schmorte, deckte Lida den Tisch und goß das Bier in die dicken Gläser, und sie bewegte sich so, als wohne sie schon lange in dem Haus und gehöre hierher.
    Als sie wieder am Herd stand und das Gemüse wusch, beugte sich Zhang zu Jian vor und sagte leise: »Du hast die richtige Entscheidung getroffen. Sie ist eine Frau, mit der du ein ganzes Leben verbringen kannst. Wenn dein Vater jetzt bei uns säße und ihr zusähe – «
    »Er würde seine Meinung nicht ändern. Für ihn gibt es die Familie Huang nicht. Ich bin zwar sein Sohn, aber ich wünschte, er würde an seiner verfluchten Tradition ersticken.«
    »So etwas darf ein Sohn nicht sagen«, erwiderte Zhang ernst. »Es gibt immer einen Weg zum Ziel, auch wenn er krumm, steil und voll Steine ist.«
    »Willst du uns diesen Weg zeigen, Onkel Zhang? Hilf uns.«
    »Was kann ein armer Mann tun?«
    »Gestatte nur, daß Lida und ich uns bei dir treffen.«
    »Ihr seid ja schon hier, und ich werde essen, was Lida kocht. Und ich werde euch ein Bett geben und den Gedanken verjagen, daß ihr zusammen schlafen werdet wie ein Ehepaar. Ich verschließe meinen Blick vor der Unmoral, die unter mein Dach eingezogen ist.« Zhang lächelte ermunternd. »Ist das nicht genug?«
    »Ich werde dir niemals den Dank abstatten können, der dir gebührt.«
    »Wozu Dank, Jian?« Zhang sah Jian nachdenklich an. »Ich erkenne in dir meine eigene Jugend. Wenn ein alter Mann sich erinnert, denkt er nicht an gestern oder vorgestern, sondern an die Jahre, die so weit zurückliegen, daß sie wie eine Sage klingen. Ich war vielleicht so alt wie du, genau weiß ich es nicht mehr, da sah ich auf dem Markt von Kaili ein Mädchen, das hinter großen Bündeln Glasnudeln saß, und es sah traurig aus, denn kaum jemand kam zu ihm und ließ sich ein Bündel abwiegen. Ich ging zu ihr und kaufte ihr einen ganzen Ballen ab, obwohl ich gar keine Nudeln brauchte und auch nicht wußte, wo ich sie hingeben konnte. Aber ich sah, wie glücklich das Mädchen war, als ich ihm die Yuan in die kleine Hand zählte; es war bestimmt der größte Verkauf, den es je an einem Tag gemacht hatte. Ich habe sie dann öfter wiedergesehen, immer auf dem Markt von Kaili, und habe Nudeln bei ihr gekauft, um sie ein paar Ecken weiter einfach zu verschenken. Und eines Tages faßte ich mir ein Herz und fragte sie, ob sie mit mir kommen wolle.«
    »Onkel Zhang!«
    »Sie sagte ja, und sie kam zu der verabredeten Stelle, ohne ihren Vater, ohne einen Bruder, und da wußte ich, daß ihre Familie froh war, einen Esser weniger zu haben, und das Glück lobte, daß ein Mann sie aus dem Elend wegholte. Sie hieß Chongyan und war aus dem Volk der Dongs, und ich nahm sie mit und zeigte sie meinem Vater. Aber mein Vater sah sie gar nicht an, sondern sagte: ›Entferne diesen Mistkäfer, oder du bist nicht mehr mein Sohn.‹«
    »Und was hast du getan, Onkel Zhang?«
    »Ich bin von meiner Familie fortgegangen und habe Chongyan mitgenommen. Ich habe meinen Vater nie wieder gesehen, meine Mutter nicht und auch nicht meine Geschwister, nur ein Bruder besuchte mich ab und zu heimlich; er war der Vater deiner Mutter, Jian. Ein Jahr lebten wir wie in der Verbannung, und Chongyan wurde von Woche zu Woche trauriger, weil sie sah, wie ich innerlich litt, aber wir liebten einander mit einer Verzweiflung, die alle Widerstände überwand. Nachts weinte sie manchmal in meinen Armen, und sie fragte: ›Ich bringe dir Unglück, sag es mir.‹ Und ich antwortete: ›Ich könnte nicht mehr leben ohne dich‹, und ich malte und schrieb Gedichte und hatte Erfolg damit und wurde ein wohlhabender Mann, und je mehr mich die Leute kannten, um so stiller wurde Chongyan und verkroch sich vor aller Welt. Es war an einem Frühlingstag, als wir nach Dali und an den Erhai-See fuhren, und die Natur blühte in den feurigsten Farben; ich setzte mich ans Ufer und malte diese in die Seele dringende

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