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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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erlaubt, Sohn zu dir zu sagen?«
    »Ja. Du kannst mich so nennen, Vater.«
    Damit war alles gesagt, was eine Frage beantworten konnte. Huang spürte einen schweren Druck in seiner Brust, und er wußte sich nicht zu erklären, ob es Freude und Glück oder Angst und Sorge war. Was auch geschehen mochte, es gab keine Umkehr mehr: Lida war Jians Frau geworden, und das Schicksal nahm seinen Lauf; ob zum Guten oder zum Bösen, das würde die Zukunft zeigen.
    Lida war ins Haus gegangen und stellte den Jade-Pavillon auf den Tisch. Jinvan betrachtete ihn von allen Seiten, aber als sie ihn anfassen und näher an die Augen halten wollte, um die eingravierten Worte besser lesen zu können, hielt Lida ihre Hand fest.
    »Eine schöne Figur«, sagte Jinvan irritiert und zog ihre Hand zurück. »Wo habt ihr sie gekauft?«
    »Bei den drei Pagoden von Dali. Ein Mönch hat den Pavillon gesegnet und einen Zauber hineingebetet.«
    »Einen Zauber? Was soll das sein?«
    »Wenn ich den Pavillon berühre, fließt eine große Kraft in mich hinein. Ich spüre sie, sie ist wie ein heißer Hauch. Ich bin so stark, wenn ich die Hände um ihn lege. Es ist ein Mut, der mich alles besiegen läßt. Niemand als ich soll ihn anfassen.«
    Jinvan schwieg, aber sie sah den Jade-Pavillon mit schiefem Blick an und wunderte sich über ihre Tochter, daß sie so einen Unsinn glaubte. Sie nahm sich vor, mit ihrem Mann darüber zu sprechen, und auch er würde nur den Kopf schütteln und vielleicht sagen: »Laß ihr diesen Glauben. Er hilft ihr über die Einsamkeit hinweg, wenn Jian wieder weggefahren ist und lange Zeit nicht kommen kann.«
    Nur noch diese Nacht konnte Jian in Huili bleiben, denn was er auf der Universität versäumte, mußte nachgeholt werden. Doch da er wiederkam und Lida jetzt zu ihm gehörte, räumten Huang und Jian den Anbau aus, in dem einmal Chang Lifu gelebt hatte, und Huang versprach sogar seinem neuen Sohn, den Raum von innen auszumauern, eine feste Wand zu ziehen, eine massive Tür anzubringen und den festgestampften Boden mit Brettern auszulegen. Auch ein breites Bett, einen Schrank, einen Tisch, zwei gepolsterte Stühle aus Holz und ein Regal wollte er in Dukou kaufen, um ein gemütliches Heim zu schaffen, in dem Lida und Jian leben konnten. Für Huili war dieser Ausbau, wenn er fertig war, geradezu ein Luxus, und Huang würde stolz sein, so etwas geschaffen zu haben.
    Schon in dieser letzten Nacht schliefen Jian und Lida in dem ausgeräumten Anbau. Es war Lidas Bett, in dem sie lagen. Sie waren nackt und konnten sich nichts anderes vorstellen, als Haut an Haut und Atem in Atem einzuschlafen und ebenso zu erwachen.
    »Du bist so ruhig, Jinvan«, sagte Huang, als sie allein im Haus waren.
    »Warum sollte ich Unruhe zeigen?«
    »Unsere Tochter schläft mit einem Mann.«
    »Ich wäre unruhig, wenn sie es nicht täte.«
    »Weißt du, was aus uns geworden ist?« Huang sog an seiner Pfeife und blies den Rauch gegen die Decke. »Eine Kupplerin und ein Kuppler. Wir dulden die Unmoral unter unserem Dach. Ich hätte nie daran gedacht, daß ich davor die Augen schließe. Ich, der ehrbare Lehrer Huang Keli. Ich lege meine Tochter einem Mann ins Bett. Ich helfe ihm sogar, das Bett hinüberzutragen. Und in mir ist dabei keine Scham, kein Widerstand gegen diese Sittenlosigkeit. Jinvan, ich verstehe mich nicht mehr.«
    »Es ist besser, sie schlafen unter unserem Dach, als wenn sie einander heimlich in einer Hütte im Reisfeld lieben.«
    Sie lächelte Huang an, und er wußte, wovon sie sprach, blickte auf seine Schuhspitzen und antwortete: »Du hast recht, Jinvan – die Liebe schreibt ihre eigenen Gesetze.«
    In der Nacht wurde Lida vom Mondlicht geweckt, das durch die Ritzen der Bretterwand drang. Sie löste sich vorsichtig von Jian, ging auf Zehenspitzen zu der Kiste, auf die sie den Jade-Pavillon gestellt hatte, hockte sich davor und legte beide Hände um den kühlen Stein. Wieder durchrann sie starke Wärme, die sofort nachließ, wenn sie die Hände von dem Stein nahm, und wiederkehrte, wenn sich ihre Finger um die zarten Säulen schlossen, die das geschwungene Dach trugen.
    »Morgen bin ich wieder allein«, flüsterte sie, streichelte den Pavillon und glaubte, ihn von innen leuchten zu sehen. »Morgen bleibt von aller Schönheit, die ich gesehen habe, nur die Erinnerung zurück, und ich werde wieder den Pflug in die Erde drücken, werde Gemüse schneiden und die Reisfelder bewässern, Steine aus den Felsen holen und eine neue Mauer bauen. Ich

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