Der Jadereiter
Tages kann er hunderttausend Pillen produzieren, normalerweise in einer mobilen Fabrik. Er braucht dazu nur den Rohstoff Ephedrin, der üblicherweise von Laos, Birma oder Kambodscha ins Land geschmuggelt wird. Sie haben eine kostspielige Privatarmee? Khun Sha, Lord des United Wa, hat eine. Genau wie der Red Wa. Und dann wäre da noch die offizielle birmesische Armee. Tja, man tut folgendes: Man errichtet eine yaa-baa- Fabrikdirekt an der thailändischen Grenze, bewacht sie mit den eigenen Truppen, von denen die meisten Soldaten bereits süchtig sind, heuert Bauern ohne Ausbildung sowie örtliche Stammesangehörige für den Betrieb an und sucht sich – das ist der heikle Teil der Geschichte – die richtigen Kontakte für die Verteilung des Stoffs in Thailand.
Was erklärt, warum ich morgens um drei Uhr neunundzwanzig in einem Club in Pat Pong tanze.
Dies ist der altehrwürdigste unserer Rotlichtbezirke, wo meine Mutter seinerzeit arbeitete und je nach Kundenlage, Verhältnis zu Chef und Mamasan sowie eventuell eintretender Langeweile die Bar wechselte. Pat Pong ist meine Heimat; vermutlich suche ich hier Trost, wie schon damals als Kind. Ich kam oft am frühen Abend zu ihr, bevor sie in ihr scheußliches Bar-Girl-Gewand schlüpfte (am besten gefiel sie mir in Bluejeans und T-Shirt, weil sie so jung und sexy aussah), manchmal auch am frühen Morgen, wenn ich der Geister wegen nicht schlafen konnte. Dann brauste ich auf einem Motorradtaxi durch die Nacht zu ihr. Wenn Nong gerade mit einem Freier zusammen war, gab die Mamasan mir Bier und etwas zu essen, während ich auf sie wartete.
Die Polizei hat vor eineinhalb Stunden dafür gesorgt, daß Markt, Bars und Clubs schlossen, doch man kennt mich von früher. Pichais Tod hat sich bereits herumgesprochen, und ich komme mir, bemuttert von hundert Nutten, vor wie der Junge von damals. Allerdings hat das seinen Preis: Ich muß tanzen.
» Sonchai, Sonchai, Sonchai! «Rhythmisch klatschend deuten die Mädchen mit dem Kinn in Richtung Bühne. So habe ich mir früher mein Abendessen verdient. Zu Hause beobachtete ich meine Mutter, wie sie zur damaligen Discomusik ihre kreisenden Beckenbewegungen und Busenwackeleien einstudierte. Sie merkte erst, was ich mir von ihr abgeguckt hatte, als sie eines Nachts – ich war gerade zwölf – von einem Freier kam und mich ganz allein auf der Bühne tanzen sah.
Ich bin ziemlich high. Yaa baa, Bier und ganja haben mir das Gehirn gegrillt. Die Mamasan dreht die Musik bis zum Anschlag auf, und ich tanze wie ein Wilder, wie eine Hure, wie Nong, die Göttin, wie Nong, die Nutte. Ich bin besser als Mick Jagger in seiner Blütezeit, besser als John Travolta, vielleicht sogar besser als Nong. Die Mamasan hat Tina Turners »Simply the Best« gewählt, und alle schreien » Sonchai, Sonchai, Sonchai … «Die Mädchen – die meisten tragen Jeans und T-Shirts, weil sie bald nach Hause wollen – feuern mich klatschend an, bis ich endlich jenen Zustand des Vergessens erreiche, nach dem ich mich schon den ganzen Abend sehne.
I c all you, I need you, my heart’s on fire
You come to me, come to me wild and wired
Give me a lifetime of promises and a world of dreams
Speak the language of love like you know what it means
Mmm, it can’t be wrong
Take my heart and make it strong
You’re simply the best, better than all the rest …
Pichai.
Niemand erinnert sich an Bradley, und wenn, erinnere ich mich nicht daran, daß jemand sich erinnert. Ich bin absolut stoned.
13
Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, daß das yaa baa der totale Reinfall war. Am nächsten Tag um halb neun sitze ich, ohne eine Minute geschlafen zu haben, in der Khao San Road in einem Café gegenüber dem Internet-Provider und trinke schwarzen Kaffee, während ich die Nacht wie ein Kaleidoskop vor meinem geistigen Auge Revue passieren lasse. Ich habe das Gefühl, mit fünfhundert Frauen gesprochen zu haben, von denen keine etwas über Bradley wußte. Die Erinnerung an meinen Tanzauftritt in Pat Pong ist mir ausgesprochen peinlich. Jetzt, da die Sonne bereits heiß herunterbrennt, habe ich das Gefühl, daß sich die Ereignisse der Nacht wiederholen. Die Straßen füllen sich mit hellhäutigen Ausländern.
Hier geht es anders zu als in der Sukhumvit Road. Die Gegend ist so bizarr, daß sie kaum noch Ähnlichkeit mit dem Rest von Krung Thep hat. Selbst die Thais kommen hierher, um zu gaffen und sich ein Urteil zu bilden.
Die farangs treten paarweise auf, Jungen und
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