Der Jadereiter
Mädchen, viel jünger als die Kunden der Nana Plaza, Teenager in jenem Schwebezustand zwischen Schule und Uni, Uni und Realität.
In der Khao San Road findet man die billigsten Unterkünfte der Stadt, Schlafsaalbetten für ein paar Dollar die Nacht, so schlecht, daß selbst ich sie als schäbig empfinden würde. Hier ist die Party nie zu Ende, nicht einmal am frühen Morgen. In der Straße wimmelt es von Buden mit Südostasienreiseführern, Raubkopien von DVDs, Videos, CDs, von Essens-, Nippes-, Sandalen-, T-Shirt-Ständen. Zwischen diesen Ständen und den Cafés ist kaum Platz zum Gehen; Touristen frisch aus Europa oder Amerika drehen sich mit ihren riesigen Rucksäcken seitwärts, um vorbeizukommen. Sie sind auf der Suche nach der billigsten Schlafgelegenheit, weil sie ihr Geld für ihren Aufenthalt hier sparen wollen; manche haben vor, bis zu einem Jahr zu bleiben. Erinnern Sie sich an die Chinatown-Szenen in Blade Runner? Mein Volk hat schnell gelernt, wie man balinesische Masken, kambodschanische Skulpturen, Puppen aus Birma, Batiken aus Indonesien oder sogar australische Didgeridoos fertigt. Hier kann man Geld wechseln, sich piercen lassen, Bongo-Trommel spielen, ein Video anschauen oder nachsehen, ob man eine E-Mail bekommen hat. Die Khao San Road ist eine völlig andere Welt als der Rest von Thailand.
Ein Schwarzer, der nicht auffallen möchte, würde sich vermutlich für die Khao San Road entscheiden.
Jetzt trifft ein Thai auf einem Motorrad vor dem Internet-Provider ein und schließt die Tür auf. Ich gebe ihm ein paar Minuten, bevor ich die Straße überquere.
Der Mann ist Anfang Dreißig, ein Angehöriger jener cleveren fleißigen neuen Generation von Thais, die das Potential des Internet erkannt hat. Ein kurzer Blick sagt ihm, daß ich ein Cop bin. Ich zeige ihm das Foto von Bradley.
Der Mann erkennt ihn sofort. Er führt mich nach oben, wo überall brummende Computer auf Tapeziertischen stehen. Wer einen Internetanschluß nutzen will, muß gemäß des Fernmeldegesetzes ein behördliches Formular ausfüllen. Der Mann holt eine Akte aus einem Schrank und findet darin ziemlich schnell Bradleys Formular. Der Text darauf ist in Thai, und Bradley hat es fast durchgehend in Thai ausgefüllt.
»Haben Sie ihm beim Ausfüllen geholfen?«
»Nein. Er hat’s mitgenommen und so wiedergebracht.«
»Sprach er Thai?«
»Wenig. Ich glaube nicht, daß er in der Lage war, Thai zu schreiben.«
»Haben Sie je irgend jemanden in seiner Begleitung gesehen?«
»Er war bloß zweimal hier, einmal, um das Formular abzuholen, einmal, um es zurückzubringen. Beide Male kam er allein.« Der Mann zögert. Ich ermuntere ihn mit einem Nicken weiterzusprechen. »Aber ich glaube, ich habe ihn einmal die Straße runtergehen sehen. So ein Mann fällt einfach auf. Da war er in Begleitung einer Frau.« Wieder nicke ich. »Und was für einer Frau. Zuerst dachte ich, sie ist eine schwarze Amerikanerin, doch dann sind mir ihre Augen aufgefallen, und die waren wie unsere. Sie hatte eher braune als schwarze Haut und fast glatte Haare, auch wenn man die Krause noch ein bißchen sah. Sie war groß, viel größer als die meisten Thais, aber natürlich nicht so groß wie er. Sie reichte ihm bis zur Schulter.« Der Mann grinst. »Und ich bis zu den Rippen.«
»Was für eine Haarfarbe hatte sie?«
»Bunt gefärbt – grün, orange oder so, aber gut gemacht. Als die beiden zusammen die Straße runter sind … das hatte was von einer Modenschau. Sie war unglaublich sexy, wie eine Schauspielerin. Alle haben sich nach den beiden umgedreht. Wahrscheinlich haben sie gedacht, das sind zwei Filmstars aus den USA. Ihr hat die Aufmerksamkeit der Leute offenbar gefallen.«
»Und ihm?«
»Er wirkte ernst, sie eher frivol. Aber wie gesagt: Ich habe sie bloß einmal gesehen, aus ziemlich großer Entfernung; vielleicht war er es gar nicht.«
Dies ist meine erste heiße Spur, und ich möchte mich erkenntlich erweisen. Ich notiere Bradleys Adresse, die auf dem Formular steht, und sage: »Irgendwann werden hier Agenten des FBI auftauchen, die dieses Formular sehen wollen und ähnliche Fragen stellen wie ich.«
»Und?«
»Sie haben in diesem Land keine Ermittlungsberechtigung. Sie sind nicht verpflichtet, ihnen etwas zu sagen.«
»Was soll ich machen?«
Ich lächle. »Wenn ich Sie wäre, würde ich mir Geld von ihnen geben lassen.«
Der Mann nickt. Mein Vorschlag überrascht ihn nicht.
»Was wäre ein guter Preis?«
Ich denke nach. Ich bin ein
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