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Der Jadereiter

Der Jadereiter

Titel: Der Jadereiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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–, »aber sie ist eine Thai.«
    »Wie haben Sie sie genannt?«
    »Madame Bradley.«
    Dumme Frage. »Mutter, ich würde mich gern hier umsehen, ja?« Sie zuckt mit den Achseln. Wie sollte sie mich daran hindern? Ich lasse den Blick über einen großen Raum wandern, der das gesamte Erdgeschoß einnimmt. Zwei Teakpfeiler befinden sich im jeweils gleichen Abstand von den Wänden. Der Holzboden, auf dem bunte Sitzkissen und Futons liegen, ist hochglanzpoliert, glänzender als in solchen Häusern sonst üblich. Die Kissenhüllen sind aus leuchtend grüner, violetter und orangefarbener Seide und kontrastieren auf angenehme Weise mit dem alten Holz des Bodens und der Wände sowie den in Blattgold und Mitternachtsblau gehaltenen Tafeln darin. Der etwa drei Meter lange versenkte Tisch ist mit einer blauen Decke, Rattanserviettenringen, gelben Servietten, Seladontellern und Zitronellkerzen in Kokosnußschalen gedeckt.
    Ich bin in puncto amerikanisches Militär kein Experte, aber ich könnte mir vorstellen, daß ein Marine seinen Kameraden ein solches Zuhause nicht zeigen würde. Ein Teakhaus als Domizil ist auch nach Thai-Empfinden exzentrisch. Solche Häuser werden normalerweise von kauzigen Ausländern oder Thais aus der Kunstszene bewohnt, die lange Zeit in Paris oder New York gelebt haben. Als ich mich weiter umsehe, entdecke ich große lackierte Getreidekörbe, wie sie jetzt modern sind. Die Futons sind alle mit Golddruckseide überzogen, die ausschließlich von der Khomapastr Corporation, einem exklusiven Lieferanten von Königshäusern und Milliardären weltweit, hergestellt wird. In Wandnischen befinden sich wertvolle Antiquitäten: Kendi-Wasserbehälter, Reliquienurnen mit Lotusknospengriffen, Arzneikrüge aus Keramik. Alles ist Thai und doch fremd. Der Raum schreit förmlich danach, von farangs fotografiert zu werden.
    Das Obergeschoß des Hauses ist nur über die Außentreppe zu erreichen. Die Tür ist verschlossen, und ich muß noch einmal hinunter zu der alten Frau. »Mutter, ich habe meinen Schlüssel vergessen. Kann ich Ihren haben?« Als sie die Hand unter ihre Bluse gleiten läßt, erhasche ich einen Blick auf eine moderne Geldbörse, wie Rucksacktouristen sie haben. Sie holt einen großen Messingschlüssel hervor und reicht ihn mir. Oben öffne ich damit die Tür und trete dankbar in die Kühle des alten Hauses.

15
    Durch die Lamellen an den Fensterläden (Glasscheiben gibt es nicht) kann Luft hereindringen, und die Teakwände bieten gute Isolation. Abgesehen vom hellen Umriß des Eingangs ist es dunkel. Sobald ich den Lichtschalter gefunden habe, schließe ich die Tür. Die Lichtquelle ist hinter einem Teakpaneel entlang des Flurs, in dem ich stehe, versteckt und nach oben gerichtet.
    An den Wänden hängen sechs dreißig mal fünfundvierzig Zentimeter große Studien immer desselben Frauengesichts, unterschiedlich farbige Drucke im Stil der berühmten Marilyn-Monroe-Porträts von Andy Warhol. Die Frau ist definitiv halb Thai, halb Schwarze, was sie innerhalb der feudalen Gesellschaft meines Landes in eine besondere Kategorie verweist. Wenn sie über Dreißig ist, wurde sie Ende der sechziger oder Anfang der siebziger Jahre geboren, als es in der Stadt von amerikanischen Soldaten aus dem Vietnamkrieg wimmelte. Es ist allgemein bekannt, daß mehr Schwarze in diesen Krieg geschickt wurden als Weiße, und viele ihrer Töchter arbeiten heute in den Bangkoker Bars. Die meisten meiner auf ihre Rasse stolzen Landsleute betrachten sie als Außenseiter, so daß sie ein schweres Leben haben. Ich öffne die Tür zum Schlafzimmer, wo die Bewunderung sich in Besessenheit verwandelt.
    Die Frau ist überall, in Öl, als Aquarell, als Schwarzweiß- oder Farbfoto, manchmal der ganze Körper, manchmal nur das Gesicht. Gegenüber vom Bett hängt ein riesiger geschmackvoller Ölakt, auf dem sie den Unterleib leicht zur Seite dreht; die Schambehaarung ist nicht zu sehen, doch die perfekt geformten braunen Brüste mit den dunklen Warzen und Höfen, der lange, schöne Hals sowie die bunten, kunstvoll gestylten, nicht wirklich afrikanischen Haare sind deutlich zu erkennen: Ohne Farbe und Krause sind sie vermutlich schwarz und glatt. Mein Blick wandert unwillkürlich nicht zuerst zu ihrem Gesicht, sondern zu einer Jadekugel in einem kurzen Goldstift, der ihren Nabel an zwei Stellen diagonal durchdringt.
    Wie hypnotisiert von der außergewöhnlichen Schönheit dieser Frau, von ihren langen, wohlgeformten Beinen, ihrem knackigen Po,

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