Der Jäger
nämlich einige neue Verträge mit bekannten Künstlern abgeschlossen werden. Sie hat jedoch nicht mehr angerufen, und als ich es später auf ihrem Handy und dann bei ihr zu Hause versucht habe, ist niemand ans Telefon gegangen. Da hab ich mir aber noch weiter keine Gedanken gemacht.«
»Was für ein Termin war das gestern?«
»Wenn ich das wüsste! Ich habe mich auch gewundert, dass sie es mir nicht gesagt hat, denn normalerweise wusste ich immer über ihre Termine Bescheid, schließlich habe ich sie meistens ausgemacht. Nur diesmal hat sie mir nichts gesagt. Doch mit den Reservierungen hatte das nichts zu tun, zumindest kann ich es mir nicht vorstellen. Aber sie hätte heute Morgen um halb acht einen noch viel wichtigeren Termin mit einem unserer Künstler gehabt, nur sie war nicht da.«
»Und mit wem, wenn ich fragen darf?«
»Mit Georg Haindl, dem Schauspieler. Er ist extra für diesen Termin ganz früh aus München angereist, und dann hat er über eine Stunde vergeblich auf Frau Koslowski gewartet. Er war recht aufgebracht, als er bei uns in der Agentur angerufen hat. Ich hab’s dann noch mal auf ihrem Handy und hier probiert, und den Rest kennen Sie. Haindl war ziemlich wütend, um nicht zu sagen zornig, und hat den nächstmöglichen Flug zurück nach Münchengenommen, weil er mitten in Dreharbeiten steckt und extra in aller Herrgottsfrühe aufgestanden ist, um sich mit Frau Koslowski zu treffen. Ich meine, ich kann seine Wut verstehen. Aber jetzt mache ich mir doch Sorgen.«
»Okay«, sagte Durant und ging auf den Schlosser zu, der sich mittlerweile eine weitere Zigarette angesteckt hatte und sie nun halb geraucht auf den Boden warf. »Dann walten Sie mal Ihres Amtes.«
Er holte das Werkzeug aus dem Koffer, es dauerte kaum eine Minute, bis die Tür geöffnet war.
Durant bedankte sich und betrat zusammen mit Hellmer das Haus. Als Petra Westphal ihnen folgen wollte, hielt einer der Streifenbeamten sie zurück. »Tut mir Leid, Sie dürfen da nicht rein. Gehen wir doch zum Streifenwagen, damit ich Ihre Personalien aufnehmen kann.«
Durant ging voraus, Hellmer lehnte die Tür an. Sie betätigte den Lichtschalter. Links neben ihr war die Garderobe, etwas weiter vorne befanden sich jeweils links und rechts zwei Räume, geradeaus war eine geschlossene Tür. Aus einem der Zimmer drang wie bei Judith Kassner leise das Lied »Time to say goodbye« von Sarah Brightman und Andrea Bocelli. Die Kommissarin sah Hellmer nur vielsagend an und machte eine resignative Handbewegung. Sie zog sich Handschuhe über, ebenso Hellmer, drückte die Klinke der ersten Tür herunter – die Küche, in der seit Tagen oder gar Wochen nicht sauber gemacht worden war. Direkt gegenüber befand sich das Bad, das ebenfalls einen eher verwahrlosten Eindruck machte, im Waschbecken und in der Badewanne lauter Haare, der Spiegel verschmiert, ein paar Lippenstifte, Nagellack, Make-up lagen oder standen wahllos auf der Ablage über dem Waschbecken, die Toilettenschüssel war schmutzig. Etwas weiter ein hübsch eingerichtetes Gästezimmer, das offenbar kaum benutzt wurde und als Einziges sauber und aufgeräumt war. Und dann das Wohnzimmer, in dem einigeleere Flaschen Wein auf dem Boden und ein paar von Lippenstift verschmierte Gläser auf dem Tisch standen, der Teppich war von Krümeln übersät, der Aschenbecher quoll über, auf den Möbeln lag fingerdick Staub. Der Fernsehapparat lief, RTL, eine vormittägliche Talkshow. Aus der Micro-Stereoanlage, die in dem alten, verschrammten Schrank untergebracht war, spielte das Lied. Auch hier war wie bei Judith Kassner die Repeat-Taste gedrückt.
»Die Drecksau hat auch noch einen sehr makabren Humor«, murmelte Durant.
Links von ihnen waren ein großes Terrassenfenster und eine Tür, die in den Garten führte. Hier waren genau wie in allen bisher von ihnen inspizierten Zimmern die Rollläden heruntergelassen, kein Lichtstrahl fiel von draußen herein. Hellmer zog die Rollläden des großen Fensters der Terrassentür hoch, warf einen Blick in den Garten, der schmal und länglich war und lediglich aus einer kleinen, von Laub bedeckten Rasenfläche bestand; die Gartenmöbel auf der Terrasse waren vom vielen Sturm und Regen der letzten Tage schmutzig geworden. Zu beiden Seiten des Gartens, in dem es nicht einmal Blumenbeete gab, zogen sich etwa zwei Meter hohe, undurchdringliche Hecken nach oben, ein Schutz vor den Blicken neugieriger Nachbarn. Geradeaus ein Maschendrahtzaun, vor dem hohe, winterfeste
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