Der Jäger
Handynummer haben, wissen Sie sicherlich auch, wo ich wohne, oder?«
»Wir haben Ihre Adresse. Dann um fünf bei Ihnen.« Sie legte grinsend auf. »So, das hätten wir auch. Und jetzt zu Kleiber.«
»Ich wünsche Ihnen viel Erfolg. Wäre doch mal was anderes, wenn ein berühmter Schriftsteller in einen Mordfall verwickelt wäre«, sagte Berger.
»Der hat die Kassner vielleicht gevögelt, aber umgebracht …«, erwiderte Durant zweifelnd.
»Was schreibt der eigentlich für Bücher?«, fragte Berger.
»Krimis. Und nur Bestseller. Ich wünschte, ich könnte so was. Dann brauchte ich mir nicht Tag für Tag die Hacken wund zu laufen oder stumpfsinnige Schreibtischarbeit zu erledigen. Aber wir sind eben nur phantasielose, lausige Bullen. Bis später.«
Als Durant und Hellmer über den langen Gang liefen, sagte Hellmer: »Das mit dem Müller ist wirklich eine ganz schöne Scheiße. Ich stell mir nur vor, der fährt, besoffen, wie der ist, gegen einen Baum. Oder schlimmer noch, er fährt irgendwo in den Wald und bringt sich und die Kinder um.«
Julia Durant sah Hellmer mit hochgezogenen Augenbrauen von der Seite an. »Deine Phantasie geht ein bisschen mit dir durch, was? Der ist vielleicht besoffen, aber er bringt doch nicht seine Kinder um. Besoffene handeln anders.«
»So, und woher weißt du das so genau? Kennst du die Gefühle und Launen von Alkoholikern? Wenn sie zu sind, ist bei denen doch alles ausgeschaltet. Du erinnerst dich vielleicht, ich war mal kurz davor, Alkoholiker zu werden. In der Zeit hab ich nur Scheiße gebaut.«
Bis zum Auto schwieg sie. Sie hatte keine Lust, sich auf eine lange, fruchtlose Diskussion über Alkoholismus mit Hellmer einzulassen. Ihr schwirrten ganz andere Gedanken durch den Kopf, die gar nichts mit Müller zu tun hatten. Sie fuhren über die A 66 Richtung Wiesbaden, verließen die Autobahn in Höhe des Main-Taunus-Zentrums. Julia Durant suchte im Stadtplan die Straße, in der Kleiber wohnte.
Dienstag, 14.55 Uhr
Max Kleibers Haus lag auf einer Anhöhe inmitten eines Villenviertels. Von hier hatte man einen hervorragenden Blick auf Frankfurt und, wenn das Wetter so schön und die Luft so klar war wie heute, konnte man sogar bis zur Bergstraße sehen. Sie stiegen aus, Julia Durant warf ihre Zigarette in den Rinnstein.
»Dann mal los«, sagte sie. Das Haus war wie eine Festung gesichert, es war von einer hohen Mauer umgeben, auf der als zusätzlicher Schutz vor Einbrechern Glasscherben einbetoniert worden waren. Am Tor und in den Bäumen waren Überwachungskameras, seitlich dahinter, für das ungeübte Auge kaum sichtbar, Infrarot-Bewegungsmelder zwischen den Büschen.
»Hier kommt keiner so einfach rein«, sagte Durant, als sie ihren Finger auf den metallenen Klingelknopf legte.
»Vielleicht ist er gar nicht da«, meinte Hellmer. »Ich hab mal gehört, dass viele Schriftsteller nachts arbeiten und tagsüber auf Achse sind.«
»Und ich hab gehört, dass die meisten Schriftsteller saufen, koksenund rumhuren«, bemerkte sie sarkastisch. Als sich nach dem ersten Klingeln nichts rührte, klingelte sie ein zweites Mal. Schließlich meldete sich eine weibliche Stimme.
»Guten Tag, mein Name ist Durant, und der Herr neben mir ist mein Kollege Hellmer. Wir sind von der Kriminalpolizei und möchten bitte mit Herrn Kleiber sprechen.«
»Um was geht es?«
»Das würden wir gerne mit Herrn Kleiber persönlich besprechen.«
»Einen Augenblick, ich komme ans Tor. Und bitte, halten Sie Ihre Ausweise bereit.«
Hellmer sah Durant mit einem vielsagenden Blick an. »O Mann, ich bin mal gespannt, was da gleich für ein Weib kommt. Wahrscheinlich irgend so ein Drachen, der aufpasst, dass dem kostbaren Herrn Autor bloß keiner zu nahe tritt.«
Kaum hatte er es ausgesprochen, stand die Frau auf der anderen Seite des Tors. Sie war eine Idee kleiner als Durant, ihr kastanienbraunes Haar fiel in sanften Schwüngen bis auf die Schultern, ihre dunklen Augen hatten jenes gewisse Feuer, das jeden Eisblock zum Schmelzen bringen konnte. Sie trug eine grüne Bluse und Jeans, auf ihren Lippen war ein amüsiert-spöttisches Lächeln, als sie Hellmers faszinierten Blick bemerkte. Hellmer schätzte sie auf Anfang bis Mitte dreißig, und wenn er Nadine auch als außergewöhnlich hübsch empfand, so war diese Frau etwas Besonderes. Ihre Ausstrahlung hatte etwas Magisches.
»Mich würde zu sehr interessieren, was die Polizei von uns will. Mein Mann arbeitet gerade, und …«
»Wir werden ihn auch nicht
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