Der Jäger
die am 29. Oktober, und der Weidmann, die am 20. November geboren ist? Und du darfst eines nicht vergessen, die Müller und die Kassner sind erst seit gestern Nacht tot. Ich sag doch, mit leerem Magen denkt sich’s schlecht. Es ist mir einfach beim Essen aufgefallen. Außerdem wären wir sicher schneller draufgekommen, wenn alle am selben Tag Geburtstag hätten …«
»Von wann bis wann genau ist Skorpion?«, unterbrach sie ihn mit einer Handbewegung.
»Woher soll ich das wissen? Bin ich vielleicht Astrologe? Ich dachte, du wüsstest das. Ihr Frauen interessiert euch doch meistens für so’n Quatsch.«
»Blödsinn, ich les höchstens mal in der Zeitung beim Arzt mein Horoskop. Und mein Vater hat mich ein paar Mal damit aufgezogen, dass Skorpione, wenn sie wütend oder gereizt sind, ziemlich biestig sein können und sogar zustechen. Mehr weiß ich aber nicht.
Ich
hab mich jedenfalls bisher nicht dafür interessiert, du Heini. Haben wir eine Zeitung hier?«
»Ich könnte mal in Kullmers Büro nachsehen, er liest sie jeden Morgen.« Hellmer kam kurz darauf grinsend mit der
Bild
-Zeitung zurück und wedelte damit herum. »In seinem Papierkorb!«
Julia Durant riss ihm die Zeitung aus der Hand, blätterte darin, bis sie den Horoskopteil fand. »24. Oktober bis 22. November!«
»Das ist kein Zufall, darauf verwette ich mein nächstes Jahresgehalt. Der Schweinehund hat was gegen Skorpionfrauen …« Sie hielt inne und sah Hellmer nachdenklich an. »Augenblick, Frank. Die Kassner ist aber am 23. Oktober geboren.«
»Es muss ja nicht alles stimmen, was in der Zeitung steht.«
Sie überlegte, machte dann ein energisches Gesicht und fuhr fort: »Egal, für meine Begriffe haben wir damit schon mal die Theorie vom Tisch, dass er seine Opfer wahllos aussucht, was ich sowieso von Anfang an nicht geglaubt habe. Er geht gezielt vor. Er weiß von seinen Opfern, wann sie geboren sind und welches Sternzeichen sie haben, also kennt er sie. Nur, woher kennt er sie? Von diesen ominösen Festen?«
»Schon möglich.«
Plötzlich sah Hellmer sie mit merkwürdigem Blick an und schlug sich mit der Handfläche auf die Stirn. »Die Nadel! Sie ist das Symbol für den Stachel! Der Typ bringt Skorpionfrauen um und sticht sie mit ihrem eigenen Stachel. So wird er es zumindest sehen.«
Während Julia Durant ihre restlichen drei Stücke Pizza liegen ließ, nahm Hellmer sein letztes Stück und biss davon ab. Er kaute, wischte sich mit einem Taschentuch über den Mund und sagte: »Er lernt sie kennen, weiß, dass die meisten Frauen allem, wasmit Astrologie, Handlesen und diesem ganzen Kram zu tun hat, nicht abgeneigt sind, fragt sie nach ihrem Geburtsdatum und erzählt ihnen dann eine nette Geschichte über ihr Sternzeichen, mit der er schließlich die Tür zu ihrem Herzen öffnet.« Bei den letzten Worten machte er eine theatralische Geste, grinste, wurde aber gleich wieder ernst. »Das dürfte recht einfach für ihn sein, wenn ich bedenke, dass die Albertz allein stehend war und vielleicht einen Mann gesucht hat und die Müller frustriert von ihrer Ehe …«
»Das passt aber nicht in das Bild von Kassner und Weidmann. Die Kassner hatte ein klares Ziel vor Augen, sie war beliebt, brauchte sich keinen Mann zu suchen, und die Weidmann war verlobt, und wie wir wissen, hatte sie sogar schon Hochzeitsvorbereitungen getroffen.«
»Das heißt noch gar nichts«, sagte Hellmer, nachdem er den letzten Bissen verdrückt hatte, einen Schluck von seiner Cola trank, leise rülpste, sich zurücklehnte, die Beine auf den Tisch legte und sich eine Marlboro ansteckte. »Das wahre Innenleben der beiden kennen wir nämlich überhaupt nicht. Wir kennen nur das, was uns die Eltern und der Verlobte und ein paar Freunde und Bekannte der Weidmann erzählt haben. Wir haben nie die Albertz oder Müller persönlich kennen gelernt, wir haben sie lediglich nackt auf dem Tisch liegen sehen, als sie längst tot waren, und wissen auch von denen nur das, was uns erzählt wurde. Wie viel davon Wahrheit oder erfunden ist, davon haben wir keine Ahnung. Der einzige Anhaltspunkt sind die Tagebücher der Müller, die uns etwas über ihr Innenleben verraten. Und ob die Kassner wirklich so toll war, wie von Kleiber und van Dyck und der Faun beschrieben, wissen wir auch nicht. Und wenn eine Weidmann verlobt ist und bald heiraten will, bedeutet das noch längst nicht, dass sie einer Affäre abgeneigt sein muss. Das Einzige, was wir definitiv wissen, ist, dass alle vier vermutlich
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