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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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haben. Er wußte, daß er sich nur hätte umzudrehen und gegen das Tor zu klopfen brauchen, um wieder eingelassen zu werden und erneute Aufnahme zu finden in die Gemeinschaft der Brüder, die er niemals richtig verstanden hatte. Statt dessen wandte er sich ab, schlug die Kapuze seiner Kutte zurück, die sein einziges Eigentum war, und tat den ersten Schritt auf der Straße, die ihn schließlich zum Gut seines neuen Herrn führen würde. Erzog die Kleidungsstücke an, die sein Herr ihm übergab, faltete die Hände und hörte den Spruch, mit dem er in die Schar der Gefährten seines Herrn aufgenommen wurde (erst später wurde ihm klar, daß er nicht in den Leibeigenenstatus übernommen worden war, sondern ebensoviel galt wie die Bewaffneten, die ihm das Tor geöffnet hatten – wenngleich seine Waffen aus Feder und Pergamenten bestehen sollten). In den ersten Tagen war der Griff zur nun fehlenden Kapuze mechanisch, sobald er ins Freie trat, dann verlor sich dieser Mechanismus ebenso wie die gebeugte Haltung und das instinktive Erwachen mitten in der Nacht zur Complet. Was sich hingegen niemals verlor, war das Gefühl, nicht zu wissen wohin mit den Händen, nachdem er sie nicht mehr in die Ärmel der Kutte stecken konnte. Das Atmen schien auf einmal freier zu sein. Selbst die Haare auf seinem Kopf schienen schneller nachzuwachsen als im Kloster, und nach einem Vierteljahr wußte nur noch er selbst, wo die Tonsur gewesen war. Was ihn jedoch am meisten bewegte, war das Lachen. Zu jeder Tageszeit war aus irgendeiner Ecke des Gutes ein Lachen zu hören: das Lachen von Kindern, die ihre Arbeit noch als Spiel begriffen, das Lachen von Mädchen (sowohl dies als auch ihre Gegenwart hörten schneller auf, ihn zu beunruhigen, als er selbst für möglich gehalten hatte), wenn einer der stolzen Torwächter wie ein Gockel an ihnen vorbeischritt, das Lachen von Männern, die sich einen Scherz zuriefen und sich dabei gegenseitig auf die Schulter klopften. Er saugte diesen im Kloster unbekannten Laut gierig in sich auf; ja, er stellte fest, daß allein das Hören von Gelächter ihn unwillkürlich dazu bewegte mitzulachen, als bräche sich all das Lachen nun Bahn, das achtzehn Jahre unterdrückt worden war. Vielleicht lag es an seiner Freude,mit anderen mitzulachen, daß er auf dem Gut innerhalb kürzester Zeit anerkannt und beliebt war, und vielleicht lag es im weiteren daran, daß er sich selbst in die Rolle des Spaßmachers hineindrängte. Er war sich dessen kaum bewußt, da er mit den ernsthaften, trockenen Gebräuchen des Klosters auch die wertvolle Kunst verloren hatte, in Ruhe über sich selbst und seine Motive nachzudenken. Statt dessen fühlte er sich bestätigt, wenn sich die Augen der Menschen bei seinem Erscheinen erwartungsvoll auf ihn richteten und er sie in ihrer Erwartung nicht enttäuschte, indem er sie mit seinen ironischen Bemerkungen und Spaßen zum Lachen brachte.
    Die kleine Sichtluke im Tor tat sich auf und zeigte das Gesicht des Bruder Torwächter.
    »Gott sei mit Euch, Fremder«, sagte er. »Sucht Ihr Speisung und Ruhe im Herrn, dann tretet ein.« »Ich danke Euch«, sagte Philipp.
    Die Klappe schloß sich; es öffnete sich der untere Teil des einen Torflügels, in dem sich auch das Sichtfenster befand – das obere Drittel des Tores blieb geschlossen. Beide Flügel würden nur ganz geöffnet werden, wenn jemand vor dem Tor war, den der Torhüter kannte und für den diese Ehrung vorgeschrieben war: der Abt, der Bischof oder ein weltlicher Fürst, der dem Kloster wohlgesinnt war. Philipp überließ einem herbeieilenden Pferdeknecht sein Tier und folgte der unnötigen Weisung des Torwächters zur Herberge. Er registrierte mit vagem Amüsement, daß er zu der Herberge für Pilger und Arme gewiesen wurde; mit konsequenter Logik hatte der Torhüter aus seiner fehlenden Entourage geschlossen, daß er es nicht mit einem bedeutenden oder vermögenden Mann zu tun hatte.
    Der Speisesaal in der Herberge war menschenleer, aber als Philipp sich auf eine der Bänke setzte, kam eine hagere Gestalt aus der Küche hervor und auf ihn zu. Es war ein junger Mann, der etwa Philipps Alter hatte, und mit einem kleinen Sprung seines Herzens merkte Philipp, daß er das Gesicht kannte. Der Mann trug eine Schüssel mit Suppe und einen Kanten Brot und hatte einen tönernen Krug unter den Arm geklemmt. Zweifellos hatte er eine Botschaft des Bruder Torhüter empfangen, daß ein Gast eingetroffen sei. »Du bist ebenso dünn, wie ich dich in

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