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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Judenviertel verlassen hatten. Daß sie sich im christlichen Teil der Stadt wohler fühlte, erschien ihr plötzlich wie ein Hohn.
    »Habt Ihr gefunden, was Ihr wolltet?« fragte sie.
    Philipp wandte sich zu ihr um; sein Gesicht war so finster, daß sie darüber erschrak.
    »Der Name von Radolfs Frau war Katharina«, sagte er. »Ich habe ein Darlehen für eine Hochzeit gefunden, bei der ihr Name als der der Braut auftaucht. Ich habe auch einen weiteren kleinen Kredit für die Tauffeierlichkeiten eines neugeborenen Mädchens gefunden, das auf den Namen Dionisia getauft wurde. Radolfs Tochter heißt Dionisia.«
    »Dann seid Ihr doch am Ziel«, erwiderte Aude zögernd.
    »In beiden Fällen hat Radolf nicht seinen eigenen Namen angegeben. Es ist zwar jedesmal der gleiche Name, aber er ist falsch. Gottfried von Als. Ich frage mich, warum er das getan hat.«
    Während des restlichen Nachmittags begleitete Philipp Aude bei ihrer Suche nach den Spuren ihres Mannes. Sie suchten die Stadtbehörden auf, fragten auf dem Marktplatz, bei den Torwachen und im Pilgerhospiz. Aude drang selbst in das Hospital vor und suchte mit besorgtem Gesicht nach Geoffroi unter den Kranken und Verletzten. Als das Nachmittagslicht allmählich zu schwinden drohte, wußte Philipp, daß Minstrel außer zu ihm zu niemandem Kontakt aufgenommen zu haben schien. Wen immer er zu treffen in der Stadt gewünscht hatte – er hatte ihn verfehlt, oder der Mann hielt sich verborgen, oder es war von vornherein nur eine Geschichte gewesen, die Minstrel sich ausgedacht hatte. Philipp geleitete Aude zum Stift der heiligen Ursula und bat um eine Unterkunft für die Nacht für sie; ein Dienst, den sie schweigend akzeptierte. Die Kameradschaft aus ihrem gemeinsamen Besuch des Judenviertels war verschwunden. Minstrel, der Sänger, der Dieb, der Schurke, Audes Gatte, stand wieder zwischen ihnen.
    Um sich im »Drachen« in die Kammer zurückzuziehen, war es noch zu früh, und sich zu Galbert in die laute, rauchige Trinkstube des »Kaiserelefanten« zu setzen, dazu hatte Philipp trotz seines hungrigen Magens keine Lust. Seine Gedanken waren seit dem Nachmittag wie verklebt. Er wollte sich mit den Erkenntnissen befassen, die die Besuche bei den Geldverleihern ihm beschert hatten; statt dessen kreisten sie immer wieder um seine Begegnung mit Minstrel. Er wollte an Dionisia denken, die dunkeläugige, zarte, rehgleiche Dionisia, deren bisheriges Schicksal so verworren, dramatisch und mitleiderregend war; an ihre Stelle schob sich jedoch immer aufs neue das entschlossene Gesicht Audes, deren Zukunft in nicht geringem Maß vom Verbleib ihres schurkischen Ehemanns abhing. Ziellos trieb er sich auf dem Marktplatz und den angrenzenden Gassen herum und fand sich plötzlich im Viertel bei der Stadtmauer und vor dem Eingang eines Frauenhauses wieder.
    Er fühlte eine vage Versuchung, dort einzukehren und seine Gedanken auf einen ganz anderen Pfad zu führen, um sein Gehirn zu klären. Seine Lenden regten sich träge, und er versuchte den Zweifel von sich zu schieben, ob denn die Freude auf die gezwungene, kalte, verächtliche Lust mit einer der Hübschlerinnen überhaupt eine Freude sein konnte, als ein gewaltiges Lärmen im Inneren des Hauses anhob.
    Ein Mann sprang aus dem Eingang hervor, stutzte bei Philipps Anblick, dann rannte er mit fliegender Hast in Richtung zur Vogtei hinüber. Philipp zögerte, ob er ihm hinterhersetzen sollte, aber das Kreischen der Frauen und dazwischen das Zerbrechen von Möbeln und Gläsern ließ ihn wieder herumfahren. Ein Schwung kräftig geschminkter Frauen quoll aus der offenen Tür und stolperte ein paar Schritte vorwärts.
    »Helft uns«, rief eine von ihnen bei Philipps Anblick sofort. »Sie hauen alles kurz und klein.« Eine andere stieß sie grob in die Seite. »Das ist keiner von den Bütteln«, sagte sie mit verächtlich verzogenem Mund. »Otto ist doch grade erst losgelaufen, um sie zu holen.« Zu Philipp gewandt, stieß sie hervor: »Verschwinde lieber von hier, Kleiner, bevor du dir noch eine blutige Nase holst.« Ein lauter Schrei aus dem Inneren des Badehauses unterstrich ihre Worte auf dramatische Weise.
    Philipp schwang sich aus dem Sattel und führte sein Pferd am Zügel ein paar Schritte vom Eingang weg, damit es keinen Schaden nahm. Das Toben im Badehaus ließ nicht wesentlich nach. Drei Männer taumelten ins Freie, nackt, hastig zusammengeraffte Kleidungsstücke vor sich haltend; offensichtlich Freier, die durch den Tumult um ihr

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