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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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unseren Kaplan; dann hat er ihn wahrscheinlich gar nicht mehr erreicht.«
    »Wer ist das?«
    »Bruder Thomas. Er müßte vorgestern hier eingetroffen sein. Ich wollte dich ohnehin fragen, ob er sich noch im Kloster aufhält.«
    »Ich habe keine Ahnung. Der Abt ist erst gestern mittag aufgebrochen. Bei mir hat kein Bruder Thomas vorgesprochen – er scheint ihn also noch angetroffen und uns danach gleich wieder verlassen zu haben. Jedenfalls befindet sich auch kein fremder Mönch dieses Namens unter den Gästen im Inneren des Klosters. Was ist mit ihm?«
    »Nichts, ich dachte nur, ich könnte mit ihm sprechen. Er wollte etwas für ihn sehr Bedeutsames hier regeln, und es hätte mich interessiert, was daraus geworden ist.«
    Johannes zuckte mit den Schultern und stieß sich von der Säule ab. »Wir sehen uns morgen bei der Messe«, sagte er abschließend. »Ich wünsche dir eine gute Nacht.«
    »Danke«, sagte Philipp und wandte sich ebenfalls ab. Er kam nur ein paar Schritte weit, dann rief Johannes ihmnach. »Ich kann dir leider nicht anbieten, im dormitorium zu schlafen«, sagte er wie entschuldigend. »Du bist keiner mehr von uns.«
    Philipp sah ihn einen Augenblick lang überrascht an. Das wäre das letzte, was ich gewollt hätte. Er fragte sich, ob Johannes mit seinen Worten eine bestimmte Absicht verfolgte. Dachte er, Philipp würde danach aus Nostalgie wieder der Gemeinschaft beitreten? Immer auf der Lauer, dem Herrn ein entsprungenes Schäfchen wieder zurückzuholen, der eifrige Bruder Johannes. Philipp dachte an die Latrinenszene.
    »Ich fürchte mich nicht vor Bastulfs Schlafsaal«, sagte er schnell.
    Der Prior, der zu Füßen des Altars den demütigen introitus anstimmte: Ich werde eingehen zum Altare Gottes ; der Meßdiener, ein Novize, der erwiderte: Zu Gott, der meiner Jugend Freude gibt ; der Kuß auf den Altar; das Kyrie eleison ; das Gloria ; das Credo ; das Ave Maria ; die Gebete, Lesestücke, Psalmen und Hymnen, die aus unterschiedlich rauhen Kehlen zum Himmel stiegen; Hoc est corpus meum und Hie est sanguis meus; Sur sum Corda und Habemus ad Dominum; Sanctus, Agnus Dei, Pater noster , und schließlich Ite, missa est. Nichts von den Bedeutungen, die den Handlungen und Worten unterlagen, hatte Philipp vergessen. Der Gottesdienst umfing ihn mit stärkerer Wirkung, als er es seit seinem Austritt aus dem Kloster in allen Kirchen und Kathedralen der Stadt vermocht hatte. Es lag nicht nur an der Andacht, die die Brüder hier demonstrierten und die bei einer Messe außerhalb des Klosters mit ihrem Lachen, Geschäftemachen, Betteleien und ungenierten Unterhaltungen während des Gottesdienstes kaum vorhanden war. Eslag vielmehr daran, daß er hier an dieser Stätte zum erstenmal in seinem Leben mit dem Ritual bekanntgeworden war. Er schlurfte mit den Brüdern und den wenigen Gästen, die noch im Lauf des gestrigen Abends angekommen waren, hinaus in den Westhof, der im Schatten der Gebäude lag und kühl und blau auf den Sonnenaufgang wartete. Die anderen Reisenden, eine kleine Handvoll Pilger und ein finanziell schlechtgestellter Ritter mit übersichtlichem Gefolge, stolperten gähnend zu Bastulfs Herberge hinüber, während sich die Brüder an ihre jeweilige Arbeit begaben. Philipp, noch im Bann des Rituals, blieb stehen und sah wie traumverloren an der Fassade der Kirche empor, bis sich eine Gestalt zu ihm gesellte und nach einigen Augenblicken der gemeinsamen Stille räusperte. Philipp schüttelte seine Gedanken ab und wandte sich um; Johannes sah freundlich auf ihn hinunter.
    »Wenn es nicht zu respektlos wäre, würde ich erklären, daß wir alle zuweilen froh sind, wenn unser guter Vater Abt nicht im Kloster weilt«, sagte Johannes leichthin. »Der Prior hält die Messe viel schöner und feierlicher als er.«
    »Ich kann ein Geheimnis für mich behalten«, versetzte Philipp. »Besonders ein so wichtiges.«
    »Ich bringe dich jetzt ins Archiv«, erklärte Johannes.
    »Hast du vom Prior die Erlaubnis erhalten?«
    »Ich habe ihn gar nicht gefragt.«
    Philipp schwieg einen Moment lang, dann sagte er: »Na, es ist ja dein Kopf, nicht meiner.«
    »Alles, was in dieses Kloster hereinkommt oder es verläßt, geht durch meine Hände«, sagte Johannes selbstbewußt. »Ohne mich würde der Puls dieser bescheidenen Klause aufhören zu schlagen. Glaubst du, der Prior würde mir einen Wunsch abschlagen? Noch dazu, wenn es sichdarum handelt, einem ehemaligen Mitbruder, der sich zu seiner Zeit um das Archiv verdient

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