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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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klären. Seine Augen waren rot gerändert und geschwollen, und er mußte blinzeln, um Philipp ansehen zu können. Ansonsten wirkte er noch immer nicht mehr als ein wenig angeheitert. »Setzt Euch doch zu mir. Ein Sitzplatz ist das wenigste, was ich Euch dafür anbieten kann, daß Ihr mir für einige Zeit Geld leiht .«
    Philipp zögerte. »Ihr braucht mir das Geld nicht zurückzugeben. Fühlt Euch eingeladen.«
    »Es war keine Lüge«, sagte der Sänger. »Man hat mir tatsächlich den Beutel geleert.«
    »Ich weiß.«
    »Setzt Euch«, sagte der Sänger ein zweites Mal, ohne auf Philipps Geständnis einzugehen, und Philipp nahm zögernd ihm gegenüber am Tisch Platz. Ein Betrunkener war nicht die Gesellschaft, die er sich ausgesucht hätte. Die Herbergsgänger in der Nähe beobachteten ihn neugierig. Er überspielte seine Unentschlossenheit wie immer: Er setzte sich auf die Sitzbank, legte die Hände auf den Tisch, verschränkte die Finger ineinander und starrte einen Mann, der ihn dabei angaffte, so lange an, bis dieser woanders hinblickte.
    Der Sänger lächelte ihn an. Plötzlich streckte er eine Hand über den Tisch und hielt sie Philipp entgegen.
    »Ihr könnt mich Minstrel nennen«, sagte er. »Ihr seid Meister Philipp, wenn ich recht verstanden habe?«
    Philipp nickte und schüttelte die dargebotene Hand. »Ich hatte sieben Becher Wein«, sagte Minstrel. »Die Glückszahl war gerade ausgetrunken, als ich feststellte, womit man meinen Beutel gefüllt hat. Ich überlegte eine Weile, was ich tun sollte, bis der Wirt kam und mir noch einen Becher einschenken wollte. Als ich ablehnte, begehrte er mein Geld zu sehen. Ich konnte ihm den Gefallen nicht tun, und er wurde wütend.« Er seufzte, aber das Lächeln verließ sein Gesicht nicht. »Wenn Ihr mir noch Geld genug für zwei weitere Becher leihen würdet, könnte ich Euch einladen und mit Euch auf unsere Bekanntschaft trinken.«
    Philipp zog die Brauen zusammen und sah den Sänger argwöhnisch an, und Minstrel fügte hinzu. »Dies ist kein billiger Versuch, Euch anzupumpen. Morgen treffe ich einen Mann, der mich bei Euch auslösen wird. Wenn Ihr wollt, schreibe ich Euch einen Schuldschein.«
    »Es ist schon gut«, wehrte Philipp ab und zog seine Börse heraus.
    Er stellte zu seinem eigenen Erstaunen fest, daß er dem Sänger glaubte. Der Wirt kam mit mißtrauischem Gesicht an den Tisch, und Philipp bestellte zwei Becher Wein.
    »Ich habe gesehen, wie Ihr hereingekommen seid«, sagte Minstrel. »Ich hoffte, daß Ihr mich auch sehen würdet und ich Euch fragen könnte, ob Ihr mir Geld leihen würdet, aber Ihr seid zum Wirt gegangen und habt Euch den Engländern vorstellen lassen.«
    »Warum habt Ihr mich nicht gerufen?«
    »Ich wußte Euren Namen nicht.«
    »Ihr hättet aufstehen und winken können«, sagte Philipp ruhig.
    Minstrel senkte den Blick und drehte den Becher auf der Tischplatte.
    »Ich wollte es tun, aber es war mir ... peinlich, glaube ich. In diesem Moment erschien es mir weniger peinlich, dem Wirt meinen leeren Beutel zu zeigen und um Kredit nachzufragen.«
    »Das verstehe ich nicht. Der Wirt ist ein Fremder und außerdem ein Geschäftsmann; es mußte Euch doch klar sein, daß er ablehnen würde.«
    »Ja«, sagte Minstrel. »Er hatte die Freiheit, meine Bitte auszuschlagen.«
    Philipp sah dem Sänger in die Augen. Erstaunt wurde ihm klar, daß er an Minstrels Stelle ebenso gehandelt hätte. Gib mir nur etwas, wenn du es freiwillig gibst; biete mir Freundschaft statt schöner Worte. Es gab lediglich einen kleinen Unterschied zwischen ihnen: Minstrel war von freundlicher Ehrlichkeit, wo Philipp sich mit einem Scherz über seine Gefühle hinweggeholfen hätte. Minstrel wandte den Blick ab und zuckte mit den Schultern. »Vielleicht sollte ich mit dem Trinken aufhören«, sagte er. Er nippte vorsichtig an seinem Wein, als wolle er beweisen, daß der Alkohol ihm tatsächlich nichts bedeutete.
    »Vielleicht wißt Ihr selbst am besten, was Ihr tun solltet und was nicht«, erklärte Philipp. Minstrel lächelte erneut sein seltsam-warmes Lächeln.
    »Ihr seid mehr als anständig, Meister Philipp. Dabei sehe ich, daß Ihr Euch Eurer Sache nicht sicher seid und nicht wißt, ob Ihr gehen oder bleiben sollt. Ich habe Euch auf dem Marktplatz beobachtet, als die zwei Mann aus dem Troß des Kanzlers verletzt wurden. Ihr habt gezögert, aber Ihr wart der einzige, der schließlich zu dem mit dem zerschmetterten Kiefer trat und ihm helfen wollte. Jetzt helft Ihr mir.

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