Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser
Mann, der er war. Ich fürchte um seine Gesundheit.«
Das solltest du, wenn ich ihn erst zufassen kriege.
»Es bleibt mir nichts übrig, als mich weiterhin umzuhorchen.«
»Ihr solltet vielleicht vorsichtig sein«, erwiderte Philipp und dachte: Er ist es nicht wert, daß du dich für ihn in Gefahr begibst. Wer weiß, mit welchem Gesindel er sich mittlerweile umgibt.
»Weshalb?« fragte sie scharf und kniff die Augen zusammen.
»Naja, eine Stadt ... eine Stadt ist gefährlich ...«, stotterte Philipp.
»Ich werde Euren Herrn bitten, mir eine ausreichendeEskorte zu gewähren, solange ich mich hier aufhalte. Ich danke Euch für Eure Sorge.«
»Er hat Euch bereits eine Eskorte zugeteilt«, seufzte Philipp.
»Wen?«
»Sie steht vor Euch.«
Aude sah ihn ungläubig an, dann verzog ein Lächeln ihr Gesicht; das erste Lächeln, das sich auch in ihren Augen widerspiegelte.
»Einen besseren Begleiter kann ich mir nicht wünschen«, rief sie. »Den Mann, der meinem Gemahl in einer schwierigen Situation geholfen und der seine Ehre vor seiner Frau bis zuletzt verteidigt hat.«
Wenn du wüßtest , dachte Philipp und sagte: »Laßt uns ins Haus zurückkehren. Das Gewitter wird bald hier sein.«
Nach dem Abendmahl zog Philipp sich mit seinem Herrn in dessen Kammer zurück, um mehr über seine Fortschritte bei Radolf zu berichten.
»Sofern man von Fortschritten sprechen kann«, erklärte Philipp. »Die Dokumente, die seine Frau besessen hat, sind angeblich bei einem Brand vernichtet worden, und woran Radolf sich erinnern kann, ist bestenfalls lückenhaft und läßt sich außerdem nicht belegen. Ich weiß nicht, wo ich ansetzen soll. Man möchte denken, daß über einem, der im Auftrag eines Kardinals handelt, der Geist Gottes schwebt. Aber der hat sich scheinbar verflogen.«
»Du kannst nicht alles neu erfinden«, warnte Raimund. »Ein solches Lügengebäude hält nicht stand.«
»Wem sagt Ihr das.«
»Es gibt noch eine Möglichkeit, wie du an Abschriften derHochzeits- und Mitgifturkunden gelangen könntest«, sagte Raimund langsam. »Ich erinnere mich, daß ich, als ich zur Pilgerfahrt aufbrach, nicht all meine Ausrüstung selbst finanzieren konnte. Also ging ich zu einem jüdischen Geldverleiher in der Stadt, dessen Namen mir ein Freund genannt hatte. Ich nahm gegen Zins ein Darlehen. Vielleicht stand Radolf damals vor demselben Problem.«
»Was würde mir das weiterhelfen? Daß Radolf gegen die Heiden in den Krieg zog, stellt ja niemand in Abrede.«
»Die Juden verleihen nicht an jeden Hergelaufenen ihr Geld. Sie verlangen ein Faustpfand: zur Not in der Form von Beglaubigungen, Unterlagen, Dokumenten. Immerhin müssen sie sicherstellen, daß der Schuldner ihre Zinsen auch bezahlen kann, und dazu erkundigen sie sich, welchen Besitz der Schuldner vorzuweisen hat.«
Philipp begann zu lächeln.
»Radolfs Mitgiftpapiere. Sie waren das einzige, was er vorzuweisen hatte.«
»In der Regel geben die Wucherer sich mit Abschriften zufrieden. Vielleicht lassen sie sich noch finden. Man sagt den Juden nach, daß sie sich nicht von ihren alten Sachen trennen können.«
Philipp grinste jetzt. Insgeheim fragte er sich, weshalb es ihm Freude machte, einen Ausweg für Radolf gefunden zu haben, aber es fiel ihm nur Dionisia ein.
»Morgen reite ich in die Stadt und suche die platea Judeorum auf.«
»Erkundige dich beim Judenbischof, dem Vorsteher der Judengemeinde. Er kann dir vermutlich am besten weiterhelfen.«
Philipp nickte und stand von der Truhe auf, auf die er sich gesetzt hatte. »Ich danke Euch für Euren Rat«, sagte er.
»Danke lieber meiner Erinnerung an ein Unternehmen, das mir außer einem teuren Darlehen und Strapazen nichts eingebracht hat.«
»Ich hoffe, Ihr habt das Geld, das Ihr Euch damals geliehen habt, nicht mit Zinsen zurückgezahlt?« fragte Philipp. »Wegen des Zinserlasses, den der Papst für alle Teilnehmer an der Pilgerfahrt aussprach? Natürlich habe ich meine Zinsen bezahlt; der Jude war gerecht. Er hatte einen anständigen Zinssatz mit mir vereinbart, obwohl er meine Zwangslage erkannte, und so empfand ich es im Gegenzug nur als gerecht, ihm diesen Satz auch zu zahlen.«
»Von den gerechten Juden hat es vermutlich nicht gerade viele gegeben«, sagte Philipp nüchtern. »Ich habe gehört, daß damals Zinssätze von mehr als den erlaubten sechsundachtzig Prozent keine Seltenheit waren.«
»Es gab auch nicht sonderlich viele Gerechte unter den christlichen Schuldnern«, sagte Raimund.
Philipp
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