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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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einsehen, und ich hoffe, Euer Parnes kann mir weiterhelfen.« Die Augen des Mannes weiteten sich. Er preßte die Kiefer zusammen und tauschte mit den beiden anderen Blicke aus. Inzwischen hatten sich weitere Menschen um sie geschart. Philipp spürte, wie die Flanke von Audes Pferd sein Bein berührte. Er wandte sich zu ihr um und wurde gewahr, daß wenigstens zwei Dutzend Menschen um ihre Pferde standen und einen dichten Ring bildeten. Verschlossene Gesichter waren ihnen zugewandt. Die Pferde schnaubten nervös angesichts der vielen Fremden um sie herum. Es wäre ein leichtes gewesen, ihn und Aude zu packen und von ihren Rücken zu ziehen.
    »Ihr werdet nicht willkommen sein«, erklärte der Mann und wandte sich ab. Als hätte er ein Zeichen gegeben, begann sich die Menge zu zerstreuen. Nach wenigen Augenblicken waren Aude und Philipp wieder allein. Philipp atmete aus.
    »Was liegt den guten Leuten denn hier im Magen?« fragte er Aude und probierte einen Scherz: »Hat Euer Pferd einem der Bürger ein paar Äpfel auf den Kopf fallen lassen?« Aude sah ihn ernst an.
    »Sie haben Angst«, sagte sie.
    »Was? Angst? Das sah mir eher nach Zorn aus.« Er drehtesich um, aber die Menschen um sie herum ignorierten sie wieder. Nur aus den Augenwinkeln sah er, wie ihnen verstohlene Blicke zugeworfen wurden; Augen wurden hastig gesenkt, sobald er sich in ihre Richtung wandte.
    »Das ist nur die Wut, hinter der sich die Angst versteckt.« Philipp war nicht in der Laune, ihr zu widersprechen. Sein Herz schlug schneller als zuvor, und seine Unbefangenheit war verflogen. Er verwünschte sich dafür, Aude hierher mitgenommen zu haben. Unwillkürlich wandte er sich zum weit offenen Bogen der Judenpforte um, durch den sie eingetreten waren; die Gasse war leicht gekrümmt, und er war nicht mehr zu sehen, aber der niedrige Torturm ragte hinter den Hausdächern hervor. Es war nicht zu weit entfernt, um umzukehren.
    Aude folgte seinem Blick. »Wollt Ihr wieder zurück?« fragte sie.
    Auf irgendeine Weise regte ihre unschuldige Frage Arger in ihm.
    »Nein«, knurrte er. »Ich habe hier ein Geschäft zu erledigen. Gehen wir zum Gemeindevorsteher, bevor sie ihm noch alle möglichen Schauergeschichten über uns erzählen.«
    »Das ist schon lange geschehen.«
    Sie hatte recht; als sie das Gemeindezentrum erreichten, stand der Parnes vor der Tür, umgeben von einem Teil des Judenrates. Man hatte offensichtlich einen Boten zu ihm gesandt, noch während Philipp und Aude sich mit der Menge auseinandergesetzt hatten. Der Gemeindevorsteher trug den gelben Hut und einen weiten Mantel, auf dem der gelbe Judenfleck wie ein Fanal leuchtete. So wie er ihn zur Schau trug, wirkte er fast trotzig. Er hatte langes, fast weißes Haar, das an beiden Wangen herabwallte und wienahtlos in einen ebenfalls weißen Bart überging. Der Bart reichte ihm bis zum Schlüsselbein. Sein Gesicht war finster, aber nicht finsterer als die der sieben Männer, die sich um ihn geschart hatten. »Was wollt Ihr?« fragte er.
    Philipp, durch Audes Bemerkung über die mögliche Angst der Juden aufmerksam gemacht, versuchte, durch die Ablehnung im Gesicht des Gemeindevorstehers hindurchzublicken. Es schien ihm, daß er wie Aude imstande war, Furcht dahinter zu entdecken.
    Der Gemeindevorsteher sah düster zu ihm hinauf. Philipp stieg vom Pferd, um den Größenunterschied zu beenden. Als er auf dem Boden stand, ließ er die Zügel seines Pferdes los; ein paar der Gemeinderäte kommentierten diese Demonstration mit einem erstaunten Blick. Ein Mann, der die Zügel seines Pferdes fahren läßt, begibt sich in die Hand derer, die ihn umringen. Philipp setzte ein Lächeln auf. Es fiel ihm schwer genug.
    »Es muß sich um ein Mißverständnis handeln«, sagte er. »Ich möchte nur einige Eurer Gemeindemitglieder etwas fragen.«
    »Was?«
    »Ich suche Auskünfte über einen Mann, der vor dem letzten Pilgerzug nach Jerusalem bei einem Eurer Verleiher ein Darlehen genommen hat.«
    Die Augen des Gemeindevorstehers verengten sich womöglich noch mehr.
    »Wozu?« fragte er.
    »Er hat seine Familiendokumente verloren, und ich hoffe, Abschriften wiederzufinden.«
    »Warum fragt Ihr nicht in Euren Kirchen und Klöstern nach?«
    »Ich ziehe die Sachkenntnis der jüdischen Bürger vor«, sagte Philipp mit einem treuherzigen Augenaufschlag.
    Der Parnes wechselte nachdenkliche Blicke mit seinen Räten. Die Mehrzahl von ihnen hatte ihre Gesichter wieder geglättet und nickte. Der Parnes kaute

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