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Der Jakobsweg

Der Jakobsweg

Titel: Der Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Rohrbach
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ihnen beim Rotwein zu schwatzen. Gern würde ich auch Pavel, den Polen, wiedersehen, nur im Gebirge wollte ich allein sein.
    Am Ortsausgang reicht mir ein Mann über den Gartenzaun reife Erdbeeren. Erdbeeren, die den Geschmack meiner Kindheit haben. Genauso köstlich schmeckten die Beeren, die ich als Kind in fremden Gärten stibitzte. Vielleicht hätte ich diesen freundlichen Wink beachten und doch in Molinaseca bleiben sollen?

     
    Der Weg nach Ponferrada zieht sich schier endlos dahin. Endlich sehe ich im Abendlicht die von Sonne und Regen silberfarben glänzenden Dächer von Ponferrada. Dreißig Störche kreisen über der Stadt. Sie fliegen gravitätisch ihre Spiralen, um sich dann allesamt auf einem riesigen, abgestorbenen Baum niederzulassen. Der Baum hat weitragende glatte, weiße Äste, auf denen die Störche stehen wie Marabus auf einem Affenbrotbaum. In eigenartigem Kontrast zu diesem afrikanischen Bild ragen im Hintergrund die Türme, Kirchen und Häuser von Ponferrada in den Himmel.
    Im refugio komme ich sehr ungelegen. Gerade wird umgebaut, Bauschutt liegt verstreut, und es riecht nach Farbe und frischem Zement. Vielleicht sind deshalb keine Pilger da? Ich stelle den Rucksack ab und begebe mich wieder auf die Straße mit der Hoffnung, jemanden zu finden.
    Da hatte ich es mir so schön ausgemalt, die anderen zu treffen. Wo werden sie jetzt sein? Ob Gerda, die mit dem Bus bis León fuhr, von dort wieder zu Fuß gegangen ist? Justin? Bei seinem Tempo und dem Leistungsdruck, den er sich macht, wird er bereits in Galicien sein. Atze? Vielleicht ist er noch in Astorga, oder hat er schon Villafranca del Bierzo erreicht? Und Pavel? Eigentlich müßte er doch hier sein? Ich sitze allein und einsam in einem Restaurant, ein tolles Essen vor mir, denke an die anderen und langweile mich. Mir macht es absolut keinen Spaß, allein zu essen. Das zweite Mal, daß ich mir einen Abend in einem Restaurant gönne und er ist genauso verunglückt wie in Nájera. Außer mir sind wieder keine Gäste im Lokal, weil die Spanier erst sehr spät abends ausgehen. Ich leere eine Flasche Rotwein, aber meine Stimmung heitert sich nicht auf.
    Ich bin müde, dennoch spaziere ich vor der Rückkehr zum refugio ziellos durch die Altstadt. Am Ufer des Flusses Sil beleuchten Straßenlaternen ein wuchtiges Gemäuer. Türme, Mauern und Zinnen, eine mächtige Burg. Auf einer Tafel lese ich: » Castillo de los Templarios - Schloß der Tempelritter.« Hier also war einer ihrer Stützpunkte! Ein eigenartiges Gefühl, als sei ich einem Geheimnis ganz nahe gekommen! Wall und Graben umgeben schützend das Schloß. Das Mauerwerk ist derb gefügt aus grob behauenen Steinen verschiedener Größe. Die Burg besitzt etwas Hartes, Auswegloses. Ein Zufluchtsort für Verfolgte? Obwohl die Templer diese Burg noch auf dem Höhepunkt ihrer Macht im Jahr 1178 bauen ließen. Damals besaß der Orden die Oberhoheit über das Bierzo. Im Dunkel des Burghofes glaube ich mich dem Rätsel der Tempelritter auf der Spur. Urgewaltig erheben sich die Mauern und die zinnengeschmückten Türme, aber die Steine geben mir ihr Geheimnis nicht preis. Je länger ich die groben Mauern betrachte, um so weniger scheinen sie mir echt zu sein. Vielleicht sind die Grundmauern, dieser oder jener Wachturm und Teile des Zwingers noch ursprünglich, aber insgesamt erscheint mir die Anlage nun sehr gekünstelt und restauriert zu sein. Der Geist der Templer wohnt nicht mehr in dieser Feste.
     

21 Von Ponferrada bis Peñalba
     
    Tommaso begegne ich am Morgen des 29. Tages. Ich habe das refugio in Ponferrada zeitig verlassen und mich auf den Weg nach Santo Tomás de las Ollas begeben, drei Kilometer nördlich von Ponferrada, wo eine mozarabische Kirche erhalten geblieben sein soll. Ich überquerte den Rio Sil, ging durch die morgenstillen Straßen und durchschritt das Tor unter dem torre del reloj, dem Uhrturm, nach Osten, also zurück Richtung Astorga, bevor ich in ein Sträßchen nach Norden abbiegen wollte. Genau an dieser Stelle treffe ich Tommaso. Er kommt von Molinaseca. Dort hatte er im Refugio übernachtet und war ebenfalls sehr früh aufgebrochen, um bis zum Abend in Villafranca zu sein. Tommaso wäre genau der richtige Kamerad gewesen, um den gestrigen langweiligen Abend unterhaltsam zu gestalten. Tommaso ist Italiener. Er begrüßt mich begeistert mit ausgebreiteten Armen, als sei ich eine jahrelange- Bekannte.
    »Halt, halt! Du gehst in die falsche Richtung! Westwärts liegt

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