Der Jakobsweg
Niederlage bei. Er erbeutete einen kostbaren Smaragd, der den Turban des Sultans Miramamolin geschmückt hatte und ließ als Dank für den Sieg in Roncesvalles die Kirche bauen. Dort liegt er auch zusammen mit seiner Frau Clemencia begraben. Sein Neffe und Nachfolger Teobaldo I. hat das Grabmal errichten lassen. Die 2,25 Meter lange Grabfigur soll der tatsächlichen Größe von Sancho VII. entsprochen haben. Vielleicht war er ein paar Zentimeter kleiner, aber sein einziger Lebensinhalt war der Kampf. Mit Richard Löwenherz zog er gegen Frankreich, beide unschlagbar bei männlichen Kraftspielen und mitleidslos beim Töten. Seine Ehe mit Clemencia, einer Deutschen, Tochter des deutschen Kaisers Friedrich Barbarossa, blieb jedoch kinderlos. Als er nach vierzig Regierungs- und Kampfesjahren mit achtzig Jahren starb, folgte ihm der Sohn seiner Schwester Doña Blanca auf den Thron, jener Teobaldo, der ihm das Grabmal bauen ließ.
Das Vertiefen in die Geschichte längst vergangener Zeiten hat mir geholfen, meine depressive Stimmung zu überwinden. Wie klein und wie unbedeutend ist das eigene Schicksal, gemessen an den Zeitläufen und den Millionen Menschen, die gelebt haben und gestorben sind. Verschwunden sind sie und mit ihnen ihre Sorgen und Kümmernisse, ihre Talente und Fähigkeiten, ihre Träume und Hoffnungen, ihre Verbrechen, Opfer und Heldentaten, aber alles wiederholt sich in den nachfolgenden Generationen immer und immer wieder, wohl solange es Menschen auf der Erde gibt.
Als ich am nächsten Morgen aufwache, ist meine Stimmung schon wieder sehr trist und melancholisch. Es regnet. Es gießt. Es schüttet. Mir ist miserabel zumute. Nun nützt es nichts mehr, meine Selbstzweifel durch Denken in historischen Zusammenhängen relativieren zu wollen. Am liebsten würde ich heimfahren. Ich hasse diese Stadt Pamplona. Zuerst der Lärm und die mit Autoabgasen verpestete Luft, und nun auch noch der Regen. Ich will wandern, wie kann ich das, wenn das Wasser in Strömen herabstürzt?
Mißmutig hänge ich mir den Regenponcho über und verlasse das Hotel. Auf der Straße hängen in Schaukästen Aufnahmen der berühmten »Feria de San Fermin«, dem größten Fest in Pamplona, Anfang Juli zu Ehren des heiligen Fermin. Nach den Fotos zu urteilen, ist es ein überschwengliches, turbulentes Volksfest. Interessiert betrachte ich die vielen bunten Bilder. An Straßenecken, Plätzen, Fotogeschäften und vor Restaurants hängen diese Fotoschaukästen. Auf fast allen Aufnahmen sehe ich Stiere, die im Galopp, wie schwarze Flutwellen, durch die engen Straßen der Altstadt jagen. Männer in weißer Festtracht und roter Schärpe oder einfach in Straßenanzügen stellen sich den wilden Stieren entgegen, rennen vor ihnen weg oder versuchen, in Panik über die Absperrungen zu klettern. Die Pamploner nutzen diesen Auftrieb der Stiere in die Arena, um ihren männlichen Mut zu beweisen. Allzu Übermütige oder Ungeschickte werden von den Stieren zu Boden geworfen. Ich sehe aber auch Fotos, auf denen Stiere Männer auf die Hörner nehmen und durch die Luft werfen. Ich kann mir vorstellen, daß solche »Begegnungen« dann nicht ohne größere Blessuren enden.
Der Regen ist doch nicht so schlimm. Der Poncho wird mich und den Rucksack schon weitgehend vor Nässe schützen. Also setze ich meine Pilgerwanderung fort. Wenn nur erst Pamplona hinter mir läge!
An der Kirche San Ignacio verweile ich einige Augenblicke. Sie wurde zu Ehren des heiligen Ignacio erbaut, doch so heilig war er gar nicht von Anfang an. Geboren wurde er als Inigo de Loyola um 1491 als jüngster Sohn eines baskischen Adligen. Leidenschaftlich gern las er Ritterromane und er hatte nur ein Ziel - ein heldenhafter Kämpfer zu werden. Bald konnte er seinen Mut beweisen. 1521 nutzten die Franzosen einen Aufstand in Spanien, um über die Pyrenäen vor die Stadtmauern Pamplonas zu ziehen. Der junge Offizier Loyola verschanzte sich mit den Verteidigern in der Zitadelle, die Bewohner Pamplonas dagegen stellten sich auf die Seite der Franzosen. Der Kommandant der Zitadelle erkannte die ausweglose Situation und entschloß sich zur Übergabe. Doch Inigo de Loyola erhob Einspruch und schaffte es, den Kommandanten zu einem heroischen, aber sinnlosen Widerstand zu überreden. Die Franzosen schossen in Salven ihre Kanonenkugeln auf die Zitadelle. Eine Kugel schlug direkt vor Loyola ein und zerschmetterte ihm beide Beine. Er überlebte mit schrecklichen Schmerzen, die ihn monatelang nicht
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