Der Jakobsweg
und zerriebene Mineralien, die sie mit Tierfett und Blut vermischten. Die Felsgemälde in Ocker, Sepia, Zinnober und Schwarz sind so vollendet, daß wir sie schon als Kunstwerke bezeichnen können. Ob diese Steinzeitmenschen die Vorfahren der Basken waren, läßt sich natürlich nicht mehr beweisen. Manches deutet darauf hin, etwa die eigenständige Sprache der Basken, das Euskara, das mit keiner anderen Sprache verwandt scheint. Vielleicht ist es die älteste erhalten gebliebene Sprache der Menschheit.
Es fasziniert mich, mir vorzustellen, wie Menschen früher gelebt haben. Wenn ich eine Reise plane, informiere ich mich nicht nur über die gegenwärtige Situation, sondern vertiefe mich intensiv in ein Studium der Geschichte und Kultur eines Landes. Gerade die Zeiten, über die es noch keine historische Aufzeichnungen gibt, interessieren mich am meisten, vielleicht weil sie der Phantasie den größten Spielraum lassen.
Die Pyrenäen bildeten niemals eine Sperre, eine Trennmauer, denn immer schon strömten Völkerscharen über das Gebirge in die weite spanische Landschaft. Zuerst waren es die Kelten, die um 700 v. Chr. die Pyrenäen überquerten. Sie waren ein indogermanischer Volksstamm, der in Mitteleuropa den Raum von Böhmen und Ungarn bis zum Rhein besiedelt hatte. Dieses kriegerische Reitervolk beherrschte schon die Eisenbearbeitung. Sie trugen im Kampf eiserne Rüstungen. Aber auch kunstvoll gehämmerter Schmuck aus Gold und Silber und Zaumzeug mit Gold, Email und Korallen verziert, sowie Tierfiguren aus Stein sind erhalten geblieben. Die Kelten besiedelten den Norden Spaniens. In der Provinz Galicien finden sich noch heute Überreste der keltischen Kultur.
Die Römer brauchten dann fast 200 Jahre, um die Bevölkerung zu unterwerfen. Erst Augustus konnte im Jahr 18 v. Chr. die letzten, sich verzweifelt wehrenden Stämme besiegen. Straßen wurden angelegt, große Städte gebaut, Korn, Wein und Olivenöl nach Rom geliefert und die lateinische Sprache samt Rechtswesen eingeführt. Doch gelang es den Römern nie, das Baskengebiet völlig zu kontrollieren. Das Gebirge bot den Menschen sichere Schlupfwinkel. Nur bis Pamplona drangen die römischen Armeen vor.
Um 500 n. Chr. begann eine unruhige Zeit. Im Zuge der großen germanischen Völkerwanderung kamen wieder Reiter, Fußvolk, Karrenzüge über die Pyrenäenpässe. Erwartungsvoll drangen sie in das Land ein, von dessen Reichtum und Schönheit sie gehört hatten: Vandalen, Alanen, Sueben. Aber nur den Westgoten gelang es, sich in Spanien anzusiedeln. Sie hatten lange in enger Nachbarschaft mit den Römern gelebt und manches von deren Kultur, Religion und Lebensart übernommen. Fast 200 Jahre lang herrschten die Westgoten über Spanien.
Nun müßte ich Pater Sampedro hier haben. Er würde sicher über sein Lieblingsthema der maurischen Herrschaft und der Reconquista anschaulich berichten. Ich aber bringe diese Sanchos, Alfonsos und Fernandos, wie die navarresischen Herrscher hießen, ständig durcheinander. Pamplona war von 738—750 in maurischem Besitz.
750 dann eroberten die Basken ihre Stadt zurück und obwohl sie sich 778 unter den Schutz Karls des Großen stellten, ließ er Pamplona bei seinem Rückzug zerstören, denn er wollte keine befestigte Stadt im Rücken haben. Kein Wunder, daß die betrogenen Basken wutentbrannt die Nachhut des Heeres angriffen und Ritter Roland und die anderen Recken töteten. Pamplona wurde wieder aufgebaut und Hauptstadt des Königreiches Navarra, das bis 1841 bestand. In verwirrender Vielfalt lösten die Könige einander ab. Der erste Herrscher war wohl der legendäre Inigo Iniguez, den einige Baskenstämme um 810 zu ihrem Anführer machten. Aber erst Sancho Garces I., der bis 925 das Zepter führte, ist historisch verbürgt. Er konnte die Mauren vertreiben und die Grenzen Navarras bis zum Ebro ausdehnen. Von nun an war der Weg frei nach Santiago de Compostela. Vorher mußten sich die Pilger am kantabrischen Gebirge entlang ihren Weg suchen. Einem der vielen Herrscher bin ich schon »begegnet«: Sancho VII., el fuerte, der Starke. In Roncesvalles hatte er die kleine Kirche gestiftet, in der ich den Sonnenaufgang erlebte und die Silbermadonna in ihrem Strahlenglanz sah. Sancho lebte von 1154-1234. Der stärkste Ritter seiner Zeit sei er gewesen, und niemand, weder im Turnier noch in der Schlacht, hätte ihn besiegen können. Mit den vereinten Christenheeren fügte er 1212 den Mauren bei »Navas de Tolosa« eine entscheidende
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