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Der Jakobsweg

Der Jakobsweg

Titel: Der Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Rohrbach
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verziert. Auf den Dächern thronten runde Essen aus Stein und Ton, oben bekrönt durch eine dachförmige Abdeckung. Im ersten Stock ragten große Halbkugeln aus dem Mauerwerk, es waren Backöfen, abgestützt durch Holzpfeiler. Das Gebäude der alten Pilgerherberge stand noch, aus Feldsteinen errichtet und mit Stützpfeilern stabilisiert. An der südlichen Stirnseite sah ich eine vermauerte Tür, vermutlich war das der ehemalige Zugang. Die Anlage machte eher einen ärmlichen Eindruck, und doch wird sie für frühere Pilger eine Wohltat gewesen sein. Hier konnten sie übernachten. Im nahen Fluß Arga, der damals sicher noch nicht so verschmutzt war, schöpften sie Wasser zum Trinken und Kochen oder nahmen bei warmer Witterung ein Bad und wuschen ihre Kleidung.
    Auf meinem weiteren Weg durch das Flußtal der Arga verwöhnte mich die Natur noch einmal mit all ihrer Schönheit. Doch schon bald konnte ich auf einer Anhöhe die Silhouette einer Stadt erkennen mit Kathedrale und Kirchen und einer für mittelalterliche Städte typischen mächtigen Wehrmauer. Ich wußte, es konnte sich nur um Pamplona handeln, der früheren Hauptstadt des Königreiches Navarra. Gerade auf diese Stadt war ich besonders neugierig, denn sie war eine der wichtigen Stationen auf dem Pilgerweg.
    Ich schaute nochmals zurück. Die Pyrenäen konnte ich vom Tal aus nicht mehr sehen. Der Startpunkt meiner Wanderung St.-Jean-Pied-de-Port war jetzt 80 Kilometer entfernt. Das Zehnfache des Weges lag noch vor mir. Mir wurde bewußt, daß ich mich trotz der Fülle der Erlebnisse noch am Anfang meiner Pilgerreise befand. Froh, einen noch so weiten Weg bis Santiago vor mir zu haben, schritt ich auf Pamplona zu. Bald wurde das Gehen zur Marter. Bei Villava mündete der Pfad in eine verkehrsreiche Hauptstraße, der Zufahrtsstraße nach Pamplona. Lastwagen dröhnten vorbei. Ich ging am äußersten Straßenrand und war trotzdem in ständiger Gefahr, von ihnen überrollt zu werden. Abgaswolken erstickten mich fast. Ich sah nur häßliche Gebäude, Gewerbe- und Industriebauten. Wegen des harten Straßenbelages schmerzten mich meine Füße wieder. Sie fühlten sich an, als würden die Knochen aus ihrem Verbund gelöst werden, als hätten sie sich in unförmige Klumpen aus Knochen, Sehnen und Haut verwandelt. Nirgends sah ich eine Möglichkeit zu rasten. So schleppte ich mich nach Pamplona hinein und mich interessierte nur noch, eine Pilgerherberge zu finden. Ich fragte viele Passanten, doch keiner wußte etwas von einem Refugio. Manche lächelten amüsiert.
    »Eine Pilgerin, na so was? Was für eine närrische Idee!« werden sie gedacht haben.
    Während der Wanderung war ich an Kreuzen, Kirchenportalen, Kapellen, Pilgerherbergen und mit verwitterten Steinen eingefaßten Quellen vorbeigekommen, alles hatte die Erinnerung an die Zeit der großen Pilgerfahrten wachgerufen. Und jeder, der mir begegnet war, hatte mir Glück auf den Weg nach Santiago gewünscht. Für die Menschen in den Dörfern hatte meine Pilgerwanderung eine große Bedeutung, es war schön gewesen, ihre Anteilnahme zu spüren.
    Deshalb enttäuschte mich nun das Desinteresse der Pamploner. Auch im Informationsbüro für Tourismus schüttelte man nur den Kopf. Ich kapitulierte und ließ mir eine preiswerte Pension empfehlen.
    Unablässig tobt der Lärm bis weit in die Nacht hinein unten in der schachttiefen Straße vor meiner Unterkunft. Straßauf, straßab flanieren die Leute von einer Kneipe zur anderen und werden dabei immer lustiger und lauter, noch übertönt von dem Geschrei der Losverkäufer. Schlimm auch die Fahrgeräusche, das Quietschen der Bremsen und das Knallen der Türen und das ständige Hupen. Ich halte es hier nicht aus, gleich morgen werde ich, entgegen meinem ursprünglichen Plan, weiterziehen. Es ist nur schade, daß mir dadurch die vielen Sehenswürdigkeiten dieser Stadt entgehen. Ich wäre gern über die Stadtwälle spaziert, dann hätte ich durch die Schießscharten noch mal bis zu den Pyrenäen blicken können. Auch hatte ich vorgehabt, mich im Museo de Navarra über die Geschichte dieser Stadt zu informieren. Einiges weiß ich schon, doch hätte ich mir gern die Fundstücke angesehen. Menschen lebten hier schon in der Steinzeit vor 30 000 Jahren. Man fand ihre Steinwerkzeuge und entdeckte bisher über 30 Höhlen in den nahen Pyrenäen und den Kantabrischen Kordilleren. In den Höhlen haben die Jäger ihre Beutetiere an die Wände gemalt. Sie benutzten dazu bunte Erden, Holzkohle

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