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Der Jakobsweg

Der Jakobsweg

Titel: Der Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Rohrbach
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spannen sich geblümte Kittelschürzen über kräftige Körper.
    »Es tut gut, miteinander zu sprechen, zusammenzuhalten, sich zu helfen«, erklären sie mir.
    »Nicht alle im Dorf sind so wie wir«, redet eine der Frauen weiter. »Einige sind sehr einsam, sie kapseln sich ab, vor allem die alten Männer. Ramón Sostres ist so einer, krank ist er geworden, verrückt, weil er mit niemandem mehr sprach.«
    »Auch die Brüder Valesco sind merkwürdig«, nimmt eine weitere Frau das Wort. »Vier Brüder sind es. Keiner hat geheiratet. Immer nur gearbeitet und gespart, nichts haben sie sich gegönnt. Der jüngste mag jetzt 80 Jahre alt sein, der älteste ist gewiß über 90.« Alle Frauen nicken bestätigend mit den Köpfen.
    »Schmucke Burschen waren es gewesen und so fleißig«, bedauert die älteste der Frauen.
    »Ach, ein Elend. Keine Frau, keine Kinder, keine Enkel. Ganz allein sind die Armen, jetzt wo sie alt sind«, rufen die Frauen durcheinander.
    Die Sonne senkt sich rot auf die Kornfelder. Wie schwarze Pfeile jagen die Mauersegler in rasanten Schwüngen und Sturzflügen durch den Abendhimmel. Plötzlich läßt eine Frau ein warnendes Zischen hören. Das Geplauder bricht sofort ab, alle werfen die Köpfe empor, blicken in eine Richtung, der nächste Blick geht zu ihren Kindern - ja, sie sind alle noch da und in Sicherheit. Ihre Mienen entspannen sich und sie schauen zurück in die Richtung, aus der Gefahr zu drohen schien. Ich strenge mich an, aber ich sehe nichts, nur vier Jugendliche, die den Feldrain entlanggehen: Drei Burschen tragen Gerten, die sie durch die Luft schnalzen lassen, und ein Mädchen ist barfuß, mit langem Rock und wehenden schwarzen Haaren.
    »Was ist mit denen, warum erschreckt ihr so?« frage ich in die Runde. Zuerst keine Antwort. Alle beobachten aufmerksam, welchen Weg die vier einschlagen. Erleichterung, sie gehen am Dorf vorbei.
    »Das waren Zigeuner«, antworten die Frauen.
    »Warum habt ihr Angst vor ihnen?«
    »Angst haben wir nicht direkt, aber man muß aufpassen. Man weiß nie, was sie im Schilde führen«, betonen die Dorffrauen.
    Ich liege schon im Schlafsack, da kommt María, die Frau, die mich gefragt hatte, warum ich nach Santiago ginge, noch einmal zur Kirche herauf. Sie sieht mich mitleidig an und fragt besorgt, ob es nicht zu hart sei auf dem Steinboden und ob ich mich nicht fürchten würde, so allein in der Nacht. Sie überreicht mir ein Essenspaket: Weißbrot mit einem Omelette dazwischen. Ich bin schon am Einschlafen, da erscheint wieder eine Frau, Aurora. Sie bringt mir ebenfalls Brote mit Ei und Wurst.
    Gegen Mitternacht wache ich auf. Ein lauter Knall! Für einen Augenblick ist es taghell. Gleich darauf wieder ein dröhnender Donnerschlag. Gewitter! Blitz auf Blitz erhellt die Nacht und jedesmal gleich darauf der Donner, das Unwetter ist direkt über dem Dorf. Es ist faszinierend, das Unwetter so direkt erleben zu können, und ich bin froh über den ideal gewählten Übernachtungsplatz. Das Kirchendach bietet guten Schutz, auch vor dem Regen, der jetzt in Sturzgüssen herabprasselt. Die Blitze werden seltener, der Donner hallt schon von fern. Da sehe ich einen Lichtschein. Das Licht bewegt sich, wird größer, kommt näher - kommt direkt auf mich zu! Ich krieche schnell aus dem Schlafsack, um bereit zu sein, mich zu verteidigen.
    »Haben Sie keine Angst, wir sind es«, sagt eine Frauenstimme. Ich erkenne sie, es ist Rosita, eine der Frauen, die mit an der Kirchenmauer gesessen hatte, begleitet von ihrem Mann, der den Regenschirm über beide hält.
    »Wir haben uns Sorgen gemacht wegen des Gewitters und wollten Sie zu uns ins Haus holen. Irgendein Plätzchen findet sich da schon«, bietet Rosita an.
    Es tut mir leid, daß sich die beiden vergeblich in Regen und Dunkelheit auf den Weg gemacht haben, denn ich möchte lieber unter meinem Kirchendach bleiben.
    Ich wache auf, als es schon hell ist. Ein klarer, leuchtender Morgen. Wieder schwirren Mauersegler durch die Luft. Ein Tag, so recht zum Wandern! Schnell ist der Rucksack auf den Rücken geschwungen.
     

8 Von Torres del Rio nach Logroño
     
    Jesus begegnete ich in Logroño. Er begrüßte mich mit dem alten Pilgerruf: »Santiago, Ultreia!«
    Er erzählte viel und rauchte eine Zigarette nach der anderen. Was er erzählte, interessierte mich. Wir setzten uns im Park von Logroño auf eine Bank. Jesus war viermal in Santiago gewesen.
    »In diesem Urlaub werde ich wieder pilgern. Ich nehme meine kleine Tochter mit. Sie

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