Der Janson-Befehl
Eingeweiden wegnehmen. Ich widerspreche Ihnen ja nicht.«
»Glauben Sie, dass ich Peter Novak getötet habe?«
»Ich weiß, dass Sie das nicht getan haben.«
»Ich möchte Ihnen eine ganz simple Frage stellen«, fuhr Janson fort. »Ist Peter Novak tot?«
Collins seufzte. »Nun, darauf antworte ich wieder mit Ja und Nein.«
»Himmelherrgott!«, explodierte Janson. »Ich möchte eine klare Antwort haben.«
»Schießen Sie los«, sagte Collins. »Oder lassen Sie es mich anders formulieren: Fragen Sie.«
»Fangen wir vielleicht mit einer recht beunruhigenden Entdeckung an, die mir gelungen sind. Ich habe Dutzende von Fotos von Peter Novak äußerst detailliert studiert. Ich werde die Daten nicht interpretieren, sondern sie nur präsentieren. Es gibt Varianten, subtile, aber messbare Varianten feststehender Körperdimensionen. Das Verhältnis der Zeigefingerlänge zur Mittelfingerlänge. Trapezknochen zum Mittelhandknochen. Unterarmlänge. Ventralfläche des Schlüsselbeins, unter seinem Hemd sichtbar auf zwei nur wenige Tage hintereinander gemachten Fotos.«
»Folgerung: Dies sind nicht Bilder ein und desselben Mannes.« Collins' Stimme war ausdruckslos.
»Ich bin zu seinem Geburtsort gefahren. Es gab einen Peter Novak, der als Sohn von Janos und Illana Ferenczi-Novak zur Welt kam. Er ist etwa fünf Jahre später im Jahr 1942 gestorben.«
Collins nickte, und wieder war das völlige Fehlen jeglicher Reaktion erschreckender, als jede Reaktion hätte sein können. »Ausgezeichnete Arbeit, Janson.«
»Sagen Sie mir die Wahrheit«, knurrte Janson. »Ich bin nicht verrückt. Ich habe einen Mann sterben sehen.«
»Das trifft zu«, sagte Collins.
»Und zwar nicht nur einen beliebigen Mann. Wir sprechen von Peter Novak - einer lebenden Legende.«
»Bingo.«
Collins gab ein schnalzendes Geräusch von sich. »Sie haben es selbst gesagt. Eine lebende Legende.«
Janson hatte das Gefühl, eine eisige Hand würde sich um seinen Magen krampfen. Eine lebende Legende. Das Produkt von Profis in den Nachrichtendiensten.
Peter Novak war eine Legende der Nachrichtendienste.
30
Collins rutschte vom Hocker und richtete sich auf. »Ich würde Ihnen gerne etwas zeigen.«
Er ging in seinen Arbeitsraum, ein großes Zimmer mit Blick auf die Bucht. Auf einem rustikalen Holzregal lagen ganze Stapel von Studies in Intelligence, einem geheimen Magazin der amerikanischen Nachrichtendienste. Dazwischen gab es Monografien über internationale Konflikte, Romane und abgegriffene Bände von Foreign Affairs. Ein Sun-Microsystems-Computer war mit einer ganzen Anzahl von Servern verbunden.
»Erinnern Sie sich an Der Zauberer von Oz? Ich wette, man hat Sie danach gefragt, als Sie Kriegsgefangener waren. Wie ich höre, waren die nordvietnamesischen Verhörführer von der amerikanischen Popkultur geradezu besessen.«
»Nein, davon war keine Rede«, erwiderte Janson knapp.
»Nun, Sie wären vermutlich viel zu stur gewesen, um denen zu verraten, wie die Geschichte ausging. Durften ja schließlich unsere nationale Sicherheit nicht gefährden . Tut mir Leid. Das war jetzt unpassend. Es gibt eines, was uns grundsätzlich unterscheidet: Was auch geschieht, Sie werden immer ein gottverdammter Kriegsheld sein und ich immer ein ziviler Schreibtischhengst, und aus der Sicht mancher Leute macht Sie das zu einem besseren Menschen. Die Ironie daran ist, dass ich auch zu diesen >manchen Leuten< gehöre. Ich bin eifersüchtig. Ich gehöre zu den Leuten, die gern gelitten hätten, ohne dass ich je den Wunsch verspürt habe zu leiden. Das ist so ähnlich, wie wenn man sich wünscht, ein Buch geschrieben zu haben, im Gegensatz zu dem Wunsch, tatsächlich eines zu schreiben.«
»Können wir zur Sache kommen?«
»Sehen Sie, ich habe immer gedacht, dass es der Augenblick sei, in dem wir unsere Unschuld verlieren. Dort oben gibt's den großen, mächtigen Oz, und dort unten steht der Tölpel, hinter dem Vorhang. Aber es ist nicht bloß der Tölpel, es ist der ganze gottverdammte Mechanismus, der Blasebalg, die Hebel, der Dieselmotor oder was auch immer. Glauben Sie, es war leicht, das zusammenzusetzen? Und sobald das Ding einmal läuft, macht es keinen großen Unterschied mehr, wen Sie hinter dem Vorhang haben - so haben wir uns das wenigstens gedacht. Worauf es ankommt, ist die Maschine, nicht der Mensch.«
Der Direktor von Consular Operations hatte zu faseln angefangen; die Angst, die er sonst nie zeigte, machte ihn auf geradezu unheimliche Art
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