Der Janson-Befehl
Janson wusste, wie man ihn später beurteilen würde: Natürlich eine sehr gute Rede. Aber der arme Mister Novak war ein wenig mitgenommen, nicht wahr? »Vor einem halben Jahrhundert«, sagte der Mann am Rednerpult, »haben die Rockefellers den Boden unter unseren Füßen, das Land, auf dem jetzt der Komplex der Vereinten Nationen steht, der UN gestiftet. Privates Mäzenatentum für diese große Mission, für den Frieden auf der Welt, reicht also bis in die Ursprünge dieser Institution zurück. Wenn ich auf meine bescheidene Art auch einen solchen Beitrag leisten kann, helfen kann, wäre das eine große Befriedigung für mich. Es heißt immer, dass man >der Gemeinschaft etwas zurückgeben soll<: Meine eigene Gemeinschaft war stets die Gemeinschaft der Nationen. Helfen Sie mir, Ihnen zu helfen. Zeigen Sie mir, wie ich Sie am besten unterstützen kann. Es wäre mir ein Vergnügen, das zu tun, eine Ehre - ja, in der Tat, nicht weniger als meine Pflicht. Die Welt ist sehr gut zu mir gewesen. Meine einzige Hoffnung ist, dass es mir möglich sein wird, diese Güte zu erwidern.«
Die Worte waren echter Novak, abwechselnd bezaubernd und hart, bescheiden und anmaßend, und zu guter Letzt eindeutig gewinnend. Doch die Art und Weise, wie sie ausgesprochen wurden, passte nicht ganz ins Bild, wirkte zögernd, unsicher.
Und nur Janson kannte den Grund.
Der Meister der Flucht hatte erneut die Flucht geschafft. Hatte Janson sich je vorstellen können, dass er es schaffen würde, seinen großen Mentor zu übertrumpfen? Um mit Gott zu boxen, sind Ihre Arme zu kurz, hatte Demarest einmal halb im Scherz zu ihm gesagt. Und doch hatten die Worte etwas unbehaglich Wahres an sich. Der Protege trat gegen seinen Mentor an; der Schüler maß seine Kräfte mit dem Lehrmeister. Nur die Eitelkeit hatte ihn nicht erkennen lassen, dass das Scheitern vorbestimmt war.
Als der Mann am Rednerpult seine Ausführungen beendete, erhoben sich die Zuhörer zu einer stehenden Ovation. Was der Rede an überzeugendem Schwung fehlte, glich sie durch Formulierungskunst aus. Außerdem, wer wollte schon dem großen Mann bei einem solchen Anlass versagen, was ihm gebührte? Janson verließ mit steinerner Miene die Halle; der Beifall verstummte erst, als die Tür sich hinter ihm schloss.
Wenn Demarest sich nicht im Gebäude der Vereinten Nationen befand, wo war er dann?
Der Generalsekretär hatte das Podium gemeinsam mit dem Redner verlassen, dem so eindrucksvoller Applaus zuteil geworden war, und würde sich mit seinem Gast in der auf zwanzig Minuten angesetzten Pause jetzt in den mit Teppichen ausgelegten Raum hinter der Halle zurückziehen.
Janson bemerkte jetzt, dass sein Ohrhörer sich bei dem Handgemenge mit dem Kalifen gelockert hatte, schob ihn wieder zurecht und hörte von Störgeräuschen unterbrochene Fragmente eines Gesprächs. Er erinnerte sich an das verborgene Mikrofon unter Mathieu Zinsous Krawatte -es sendete.
»Nein, ich danke Ihnen. Aber das Gespräch unter vier Augen, das Sie erwähnten, würde ich gerne auch noch führen.«
Die Stimme klang undeutlich, aber hörbar.
»Sicherlich«, antwortete Zinsou. Seine Stimme war näher am Mikrofon und deshalb klarer.
»Weshalb gehen wir nicht in Ihr Büro im Sekretariat?«
»Sie meinen, jetzt?«
»Meine Zeit ist leider sehr knapp bemessen. Es muss jetzt sein.«
Zinsou zögerte nur kurz. »Dann folgen Sie mir. Achtunddreißigstes Stockwerk.«
Janson fragte sich, ob der Generalsekretär das seinetwegen hinzugefügt hatte.
Irgendetwas war im Gange. Aber was?
Janson rannte zur Ostrampe des Versammlungsgebäudes und dann auf das hoch aufragende Sekretariatsgebäude zu. Sein rechtes Knie schmerzte bei jedem Schritt, und die Prellungen an seinem Körper fingen an anzuschwellen und wehzutun - die Schläge des Anuraners waren nicht nur kräftig, sondern auch gut gezielt gewesen. Aber das alles musste er jetzt aus seinen Gedanken verdrängen.
In der Lobby des Sekretariatsbaus zeigte er den Ausweis vor, den man ihm ausgestellt hatte, worauf ihn ein Wachmann durchwinkte. Er drückte den Knopf für das achtunddreißigste Stockwerk und fuhr nach oben. Mathieu Zinsou und Alan Demarests Beauftragter, wer auch immer es sein mochte, würden ihm binnen Minuten folgen.
Als er nach oben fuhr, merkte er, wie sein Ohrhörer nach ein paar Augenblicken des Summens ganz verstummte.
Der Liftschacht blockierte das Signal.
Eine Minute später hielt die Liftkabine im achtunddreißigsten Stock an. Janson erinnerte
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